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Abi 2011 reingelegtEin Traum von Solidarität

Ein Veranstalter prellt Abiturienten von über 40 Schulen um ihr Geld für den Abschlussball. Viele Feiern finden aber statt - dem schulischen Zusammenhalt sei Dank.

Geprellte Schüler des John F. Kennedy Gymnasiums Bild: dpa

Sevgi Yasar vom Max-Planck Gymnasium in Mitte hatte einen Traum: ein rauschender Abi-Ball im Vier-Sterne-Hotel Maritim in der Friedrichstraße, ein mehrgängiges Menü, sogar ein Luftballonstand für die kleinen Geschwister. Motto ihres Abitur-Jahrgangs: " Abi 2011 - Wenn Märchen wahr werden". Genau dafür hatten Sevgi und ihre Mitschüler monatelang Spenden eingeworben. Ausrichten würde das Event die auf solche Veranstaltungen spezialisierte Agentur "Easy ABI".

Wie am Dienstag bekannt wurde, platzte der Traum der Max-Planck-Schüler sowie der Abiturienten von über 40 weiteren Berliner Schulen, als sich Ende vergangener Woche die Geschäftsführung von "Easy ABI" mit einem Batzen Geld aus dem Staub machte. Das Maritim-Hotel teilte Yasar und ihren Freunden überraschend mit, der vermeintlich angemietete Saal sei nie bezahlt worden. Da hatten die Schüler schon 19.000 Euro an die Event-Agentur überwiesen, die nun auch nicht mehr telefonisch oder per E-Mail zu erreichen war. Laut Polizei bewegt sich der Schaden aller betroffenen Berliner Abiturienten im sechsstelligen Bereich.

Sevgi Yasar und das Organisationskomitee des Abi-Balls am Max-Planck-Gymnasium haben einen Anwalt eingeschaltet, der Anzeige wegen Leistungsbetrug erstattet hat. Seit Dienstag sucht auch das Berliner Landeskriminalamt den untergetauchten Geschäftsführer. Ob die angesparten Finanzen jemals wieder auftauchen, ist aber fraglich.

Yasar und anderen war darum schnell klar: "Wir müssen eine andere Lösung finden." Trotz des Schocks und der wütenden Reaktionen von Mitschülern und deren Eltern bemühten sich die Mädchen aus dem Max-Planck-Organisationskomitee während des kompletten Pfingstwochenendes um Medienöffentlichkeit, Sponsoren und Spenden.

Bei einem Treffen am Mittwochabend im Maritim-Hotel konnten dann zumindest fast alle Bälle gerettet werden, die in den dortigen Sälen stattfinden sollten. Nicht ohne bedeutende Vorleistungen von Eltern und Lehrern: Viele warfen Spenden oder Sponsorenverträge ihrer Arbeitgeber auf die Wagschale, das Hotel kam den Schülern seinerseits mit einem ermäßigten Neupreis von rund 35 statt rund 50 Euro pro Person entgegen.

Pamela Schrader, Veranstaltungsleiterin des Maritim-Hotels, zeigte sich nach dem Treffen überrascht von der Solidarität innerhalb der Schulen. Eltern wie Lehrer hätten sich auf beeindruckende Art hinter die SchülerInnen gestellt und die Abi-Bälle gerettet. Den Schülern werde der erlittene Betrug "hoffentlich eine Lehre sein", sagte eine Mutter bei den Gesprächen im Maritim.

Durch die in Rekordzeit aufgestellte Nachfinanzierung wurde nun sichergestellt, dass auch leistungsschwache Familien am Ball teilnehmen können. "Wir wollen keine Zwei-Klassen-Veranstaltung", sagte einer der Väter der taz - er hatte mehrere hundert Euro gespendet.

Das Maritim-Hotel will auch künftig seine Ballsäle über Event-Agenturen vergeben. Das Geld solle jedoch ab sofort direkt ans Hotel überwiesen werden und nicht mehr von den Agenturen vermittelt werden, so Veranstaltungsleiterin Schrader.

Für manche Abiturienten anderer Schulen wird der Traum-Ball allerdings deutlich zusammenschrumpfen: Sie richten die Feier nun in der Schulaula aus.

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8 Kommentare

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  • WB
    Wolfgang Banse

    Zerplatzte Träume

    Abiturienten freuen sich über ihre bestandene Reifeprüfung und wollten dies gebührend feiern mit ihren Freunden,Großeltern,Eltern,Geschwister.Aber für die Berliner Abiturienten ist der Abiball in diesem Jahr in weiter Ferne gerückt,da sie durch eine Eventagentur um ihr eingezahltes Geld geprellt wurden.

    Ein schwerer Start in das ernste Leben,den die diesjährigen Berliner Abiturienten machen.

    Hilfebereitschaft durch Sponsoren wird signalisiert

    so dass doch noch Hoffnung bleibt,dass die ABibälle stattfinden könne-der oft auch der Ball ist um in die Gesellschaft etableirt zu werden.

  • K
    Karina

    Ganz bestimmt hat bei einer Menge Schüler auch die eigene Motivation gefehlt, sich für den Ball zu engagieren. Das ist aber kein neues Phänomen (äh doch, denn früher war ja sowieso alles besser).

    Abiball in unserer Turnhalle und/oder Aula wäre eine Sache der Unmöglichkeit, da sich alles in allem knapp tausend Menschen an dem Tag versammeln werden. Kein Wunder bei einem Jahrgang mit 150 Schülern. Also nichts mit self-made-deko-romantik.

     

    40 Euro ist mittlerweile übrigens (auch wenn das traurig ist!) Standardpreis für den Abiball. Soliaktionen für Familien, die die Karten nicht finanzieren konnten, liefen schon vorher.

    Und ja, es ist ein 'Traum der Solidarität', wenn einzelne Familien von Schülern meines Jahrgangs bis zu 6000 Euro spenden, damit wir alle daran teilnehmen können.

     

    Ein bisschen mehr Verständnis grade für die, die sich das Geld wirlich zusammensparten und das jetzt einfach weg ist, wäre wirklich angebracht!

  • GU
    Generation unbeholfen und bequem

    @ vic ... GENERATION U

     

    stimmt; Generation UNFÄHIG (aber zu allem Unsinn bereit); die Eltern muss man wohl in diese chrakterliche Zuschreibung einbeziehen.

     

    Und eben bequem. Ich kann die Abiturient/innen nicht bedauern, die ihre, wohl gemerkt, Zeugnisse fürs Studium und nicht zum Absolvieren von Hilfsarbeiten, die keine Qualifikation erfordern, bekommen.

     

    Wenn die Abiturient/innen nicht einmal eine Reise selber auf die Beine stellen und einen Abschlussball (muss es ein Ball sein oder darf es auch eine Abschlussveranstaltung sein, die auch nicht begüterte Mitschüler/innen einschließt und sie nicht ausschließt?) selbst organisieren (können), wie wollen diese Damen und Herren je *ansonsten* im Leben / im Beruf praktische Aufgaben so lösen (können), dass man meint, es seien keine Dilletant/innen am Werk (gewesen)?

    Soziales Verhalten haben diese Abiturient/innen offensichtlich auf dem Gymnasium nicht gelernt.

    Hoffentlich sieht das Gericht, das den Fall nun juristisch aufarbeitet, das genauso und schreibt den *hoch-intelligenten* Abiturient/innen und ihren mindestens ebenso *schlauen* Eltern eine erhebliche Mitschuld an dem Betrugsfall zu.

  • V
    vog

    Ich stehe der Tendenz die Feierlichkeiten ausrichten zu lassen skeptisch gegenüber. Es ist unglaublich teuer für die sozial schwachen Familien am Abiball des eigenen Kindes teilzunehmen. Ich meine: Muss es denn das Maritim sein? Getränke sind sicherlich nicht inklusive. Ich erinnere mich an meinen Abiball in einer Turnhalle die dekoriert wurde. Kostenpunkt: keine 20 Euro.

    Hier ist doch nicht von Solidarität zu reden. Nicht nur der Preis, auch scheinen viele Schüler sich nicht mehr in den Vorbereitungen zu stürzen, denn sonst hätte das Komitee, das ja so viel zu tun hat, nicht an diese Abi Bude die Verantwortung abgegeben.

  • V
    vic

    @ Karina

     

    Wie bitte? Ihr bezahlt Leute dafür, dass dann doch vieles von Schülern noch selbst organisiert wird?

    Ja - gehts noch einfältiger?

    Wenigstens habt ihr fürs Leben etwas aus der Sache gelernt: Traue niemandem Dein Geld an !

  • K
    Karina

    Das hat wenig mit Unselbststädigkeit zu tun. Auch uns wurden insgesamt 28000 Euro abgezockt von EasyAbi. Die organisieren den Ball grundsätzlich nicht bis ins Detail und die Schüler, welche sich bereit erklärten, die Organisation in die Hand zu nehmen hatten trotz EasyAbis (vermeintlicher) Unterstützung alle Hände voll zu tun!

  • FS
    Freya Stewart

    Die Schüler der JFK Schule wurden nicht um ihren Abiball geprellt, sondern um ihre Abi-Reise, die Easy Abi gemeinsam mit Rainbow Tours organisiert hat. Auf wessen Konto das Geld für die Reise gelandet ist, ist noch unklar. Rainbow hat sich nun bereit erklärt

    die Reise stattfinden zu lassen, nachdem sie sie bereits abgesagt hatten.

  • V
    vic

    GENERATION U

     

    Sorry, aber wenn Eltern, Lehrer und Schüler wissentlich eine Agentur, die natürlich Geld verdienen will, mit der Organisation einer Abiturfeier beauftragt, dann sollten sich alle Beteiligten mal fragen, ob das Gejammere auf so hohem Niveau wirklich angemessen ist. Offenbar sitzt bei sehr vielen Eltern das Geld unglaublich locker oder es ist im Überfluss da.

     

    Sind Schüler heute wirklich so inaktiv, dass sie sich nicht mal mehr selbst eine Abifeier organisieren können? Generation U, das u steht für unselbständig!

     

    Die einen sind Betrüger, die anderen faul.

    Willkommen in der Wirklichkeit.

    Mein Mitleid hält sich in Grenzen.