piwik no script img

Abhörskandal in ChinaBo ließ Präsident abhören

Der gestürzte chinesische Spitzenpolitiker Bo Xilai ließ laut einem Bericht Funktionäre bis zum Parteichef abhören. Dies war einer der Gründe für seine Absetzung.

Bo Xilai (M.) hat es sich verscherzt mit Chinas Führung. Bild: reuters

PEKING taz | Vor Spitzeln ist in China niemand gefeit. Nicht einmal der Partei- und Staatschef. Nach Informationen der New York Times hat der gestürzte Spitzenpolitiker und bis März amtierende Parteichef der 30-Millionen-Metropole Chongqing, Bo Xilai, die Telefonate fast sämtlicher Spitzenpolitiker abhören lassen, die ihn jemals dort besuchten. Und dazu zählte auch Chinas Präsident und Machthaber Hu Jintao.

Unter Berufung auf „der Kommunistischen Partei nahestehende Quellen“ sei die Bespitzelung hochrangiger Politiker einer der Gründe für Bos Absetzung gewesen, schreibt die Zeitung. Die chinesische Staatsführung hatte ihn Mitte März von seinem Amt als Parteichef im südwestchinesischen Chongqing enthoben und ihn letzte Woche sämtlicher Posten entbunden. Anfang des Jahres galt Bo noch als gesetzt für einen Posten im Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem mächtigsten Gremium der Volksrepublik.

Bislang gingen die meisten ausländischen Medien wie auch Chinas Öffentlichkeit davon aus, dass Bos Sturz mit der Korruptions- und Mordaffäre seiner Ehefrau Gu Kailai zusammenhängt. Sie wird verdächtigt, im November 2011 einen britischen Geschäftsmann vergiftet zu haben, nachdem sie sich mit ihm im Streit über Geldschmuggel überworfen hatte.

Bos rechte Hand, der damalige Polizeichef Wang Lijun, machte den Fall mit seiner Flucht in ein US-Konsulat publik. Wie das Blatt jetzt schrieb, hatte Wang sich mit Bo nicht nur überworfen, weil er gegen dessen Frau ermittelte, sondern auch, weil er selbst Bo und seine Frau abgehört haben soll.

Anhänger Bos sehen in dem Skandal die gezielte Denunzierung der linken Strömung innerhalb der KP. Bo war ihre Gallionsfigur und wegen seiner populistischen Art beliebt. Er ist zugleich der prominente Sohn eines der Gründerväter der Volksrepublik.

Laut New York Times wollte Bo mit der Bespitzelung seiner Parteigenossen herausfinden, was genau über ihn gesagt werde. Demnach wurde Hu Jintao im vergangenen August abgehört, als er mit einem führenden Beamten über Korruptionsbekämpfung in Chongqing sprach. Das US-Blatt beruft sich auf „mindestens ein Dutzend“ Informanten mit Bindung zur Kommunistischen Partei, die – wenn auch anonym – Bos Abhörsystem bestätigen. Offiziell hat sich Chinas Führung zu dem Bericht noch nicht geäußert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • XZ
    Xie Zeren

    Der Vorposter hat recht. Zumindest läßt sich belegen, daß Hu im August 2011 NICHT in Chongqing war! Zumindest gibt es keinerlei zeitnahe offizielle Berichte über einen solchen Besuch.

  • S
    saalbert

    "Bo war ihre Gallionsfigur." - Nicht wirklich, denn er war ihre Galionsfigur.

  • MF
    Mi Fu

    Im Gegensatz zu vielen anderen Spitzenpolitikern war Hu Jintao waehrend der Amtszeit Bo Xilais nicht in Chongqing.

    An der Geschickte kann also nicht viel dran sein.