"Abendzeitung" streicht Stellen: Blaulicht und Feuilleton
Adieu linker Boulevard: Die Münchner "Abendzeitung" baut jede 4. Stelle ab. Nun verhandelt sie über eine Kooperation mit der "Süddeutschen Zeitung".
Als Geschäftsführer Dieter Schmitt am Montagmorgen vor die Mitarbeiter der Münchner Abendzeitung (AZ) tritt, will er gar nicht erst den Eindruck erwecken, als sei ihm die Entscheidung schwer gefallen. Eigentlich, so Schmitt, hätte man aus wirtschaftlichen Gründen noch mehr Stellen streichen müssen. "Ich wollte noch mehr", sagt Schmitt zu den Redakteuren. Das bestätigt er später selbst im Gespräch mit der taz.
Schmitts Streichpläne kommen für die AZ einem Kahlschlag gleich. 22 von rund 80 vollen Stellen in der Redaktion fallen nach offizieller Mitteilung des Verlags weg. Wie es aus der Redaktion heißt, sind von den Kündigungen insgesamt 29 Mitarbeiter betroffen, dazu kommen nicht verlängerte Zeitverträge und Angestellte, die in den Vorruhestand verabschiedet werden. Intern ist von einer "Halbierung der Redaktion" die Rede. Sie könnten der Anfang vom Ende für eine der wichtigsten deutschen Regionalzeitungen sein.
1948 vom Gründer der Süddeutschen Zeitung, Werner Friedmann, ins Leben gerufen, schaffte die Abendzeitung was seitdem kaum einem Medium gelang: Sie sprach Leser aller Schichten und Bildungsniveaus an, als Qualitäts-Boulevardzeitung, in der neben Klatsch- und Blaulichtgeschichten auch ein ausführlicher Feuilleton-Teil Platz hatte. So etwas gibt es auf dem deutschen Zeitungsmarkt nur einmal. Heute gehört die AZ dem Sohn ihres Gründers, Johannes Friedmann. Der suchte nach einem Käufer für die schon lange unter sinkender Auflage und Anzeigenflaute leidende Zeitung. Als sich keiner fand, holte er Schmitt als Geschäftsführer. Wenige Tage später kamen Gerüchte auf, Schmitt wolle massiv Personal abbauen. Schmitt dementierte. Das war im November.
Seitdem habe er viel analysiert und mit der Chefredaktion Konzepte entwickelt, sagt Schmitt. "Wir versuchen auf allen Ebenen etwas zu tun." Den Nürnberger Ableger der AZ verkaufte er vor wenigen Wochen an den Unternehmer Gunther Oschmann. Schmitt möchte beim Verkauf sparen, beim Vertrieb - und bei der Redaktion. Er sagt: "Wir wollen und auf unsere Kernkompetenz konzentrieren." Die Kernkompetenz der AZ war bislang gut recherchierter, unterhaltsam aufgeschriebener Journalismus. Schon vor den Entlassungen war die Redaktion für diesen Anspruch sehr knapp ausgestattet. Wie das mit halb so vielen Mitarbeitern funktionieren soll? "Auch mit weniger Redakteuren als bisher werden wir ein Produkt in gewohnter journalistischer Qualität herausbringen", wird AZ-Chefredakteur Arno Makowsky in einer Verlags-Mitteilung zitiert. Wie das geschehen soll, sagte Makowsky auch in der Betriebsversammlung am Morgen nicht. Geschäftsführer Schmitt sagt nur, es könne in Zukunft in der AZ durchaus weniger Seiten geben.
Eine Lösung, um die Qualität zu sichern, wäre eine engere Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung. Die hatte die AZ eigentlich schon im Oktober verkündet. Verleger Friedmann hält auch 18,75 Prozent an der SZ und kann mit einer Put-Option Druck auf die SZ-Mehrheitseigner ausüben. Dank der Option könnte Friedmann seine SZ-Anteile für rund 180 Millionen Euro an die klamme SWMH-Verlagsgruppe verkaufen - eine Horrorvorstellung für die SZ-Mehrheitseigner. Dennoch scheitert die Kooperation bislang offenbar am Widerstand der SZ. Bislang gebe es noch keine Kooperation mit der SZ, sagt AZ-Geschäftsführer Schmitt zur taz. Die Verhandlungen seien nicht leicht, so Schmitt: "Wir sind noch in Gesprächen."
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