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AUF DEN SIEG DER POPULISTEN IN LITAUEN KÖNNTE SCHLIMMERES FOLGEN

Proteste nicht ernst genommen Archiv-Artikel

Zwölf Regierungen in 14 Jahren der Unabhängigkeit. Das spricht für nicht allzu große politische Stabilität. Doch der erste Anschein trügt. Nicht nur weil die letzte Regierung in Litauen tatsächlich drei Jahre durchgehalten hat. Die wechselnden Koalitionen hatten sich auch im Großen und Ganzen aus dem gleichem Parteienreservoir gespeist. Das Etikett wechselte, doch die politischen Grundlinien lagen im Wesentlichen fest. Bei aller Rhetorik waren es nur Nuancen, welche einen Exkommunisten wie Algirdas Brazauskas von einem Rechtsnationalisten wie Vytautas Landsbergis unterschieden. Wenn es darum ging, welche Privatisierungs- und Investitionspolitik das Land zu einem „baltischen Tiger“ machen sollte. Wirtschaftlich, nicht sozial.

Das haben mittlerweile auch die WählerInnen gemerkt. Nach der Wahl von Rolandas Paksas zum Staatspräsidenten haben nun zum zweiten Mal die LitauerInnen, die sich als Verlierer der Entwicklung des letzten Jahrzehnts fühlen, eine Wahl entschieden. Und diesmal ging es nicht um eine Repräsentationsfigur, sondern um die Frage, wer das Land künftig regieren soll. Wie Uspaskich da abräumte, wiegt umso schwerer, weil gerade dieser zwielichtige Millionär eigentlich als völlig unglaubwürdig dastehen musste, wenn es galt, den „wilden Kapitalismus“ zu geißeln. Sein Erfolg zeigt, wie sehr sich die Abgehängten mittlerweile zurückgelassen fühlen müssen – zu jedem Strohhalm greifen und nicht lange danach fragen, ob die Wahlversprechen eine realistische Basis haben.

Im Falle des Rolandas Paksas suchte das politische Establishment sein Heil in einem Amtsenthebungsverfahren. Und mit juristischen Tricks wurde seine erneute Kandidatur gestoppt, als sich abzeichnete, dass die LitauerInnen wieder „falsch“ wählen könnten. Den Wahlsieger Uspaskich will man womöglich über eine breiten Koalition von einem zum anderen Ende des Parteienspektrums außen vorhalten. Was sich aber rächen könnte: Es würde dazu führen, dass mit so einer „Koalition der Gegensätze“ ganz andere Gegensätze nach oben kochen könnten und sich die jetzt schon tiefe Kluft in der litauischen Gesellschaft noch mehr vertieft. Man kann nicht die Stimme eines so großen Teils der Bevölkerung auf Dauer nicht ernst nehmen. Aber auch der Weg, eine der Protestparteien mit in eine Regierung zu nehmen und dann weiterzuwursteln wie bisher, ist keine Lösung. Man muss bei den sozialen Ursachen des Protests ansetzen. Die nächste Populistengeneration, welche die Rezepte eines Uspaskich & Co mit aggressivem Nationalismus und Antisemitismus verbindet, wartet nämlich schon in der Kulisse. REINHARD WOLFF

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