ASYLLAGER IN NORDAFRIKA WERDEN DIE EINWANDERUNG NICHT STOPPEN : Legitimer Gedanke, schlechter Plan
Otto Schilys Idee ist keine spontane Eingebung. Der Innenminister schlug vor, afrikanische Flüchtlinge erst gar nicht nach Europa zu lassen, sondern ihre Asylgesuche in nordafrikanischen Auffanglagern zu prüfen. Einen ähnlichen Plan hatte der britische Premier Tony Blair schon letztes Jahr auf EU-Ebene verwirklichen wollen. Damals war Schily – aus innenpolitischer Rücksichtnahme – noch dagegen. Jetzt will er es zumindest ausprobieren.
Die Idee verstößt nicht von vornherein gegen internationales Recht. Auch UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers hat bereits ähnliche Vorschläge gemacht. Denn die Akzeptanz des Flüchtlingsschutzes leidet, wenn die Asylverfahren zu einem großen Teil von Menschen genutzt werden, die weder politisch verfolgt sind noch zu den Ärmsten ihrer Länder zählen. Ein Einwanderer wird auch nicht dadurch zum Flüchtling, dass er vorher eine teure und oft lebensgefährliche Reise auf sich nimmt. Wenn viele der abgelehnten Asylbewerber trotzdem in Europa bleiben, dann ist die Überlegung legitim, das Prüfverfahren außerhalb Europas durchzuführen.
Dennoch ist die Idee nicht gut. Man darf bezweifeln, dass in der libyschen Wüste ein adäquates Prüfverfahren durchgeführt werden kann. Kaum zu glauben, dass es die EU schafft, dort qualifizierte und unabhängige Anwälte sowie psychosoziale Betreuung sicherzustellen. Wenn die Lager aber nicht einem fairen Verfahren, sondern nur der Abschreckung dienen, dann ist wirklich die Genfer Flüchtlingskonvention verletzt. Es gibt eben auch echte Verfolgte, gerade in Afrika. Auch ist nicht damit zu rechnen, dass mit dem Blair-Plan die unkontrollierte Einwanderung wirklich gestoppt werden kann. Wer in Europa ein neues Leben beginnen will, wird dann direkt in die Illegalität einwandern. Die communities der Immigranten sind leistungsfähig genug, viele Neuankömmlinge mit Schwarzarbeit oder Halbwelt-Jobs zu versorgen.
Notwendig wäre es deshalb, möglichst viele derjenigen, die sich eh nicht vom Weg nach Europa abhalten oder abschrecken lassen, möglichst schnell zu legalen Einwanderern zu machen – ohne dadurch eine Sogwirkung auszulösen. Wie das gehen soll, weiß leider niemand. CHRISTIAN RATH