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■ ARTUR, BERLIONIDZurück zur Natur

Er hatte schon immer, erzählt Artur, schon seinerzeit auf Scharhörn, ein ausgesprochenes faible für Wasser, Tiere und die ganze Natur, er ist Umweltfreak. Den Garten in der Heide versorgen Solarpanele mit Strom und Wärme, Ausflüge auf Flüsse, Seen und das Meer werden per Wind- oder Muskelkraft bewerkstelligt und seiner kleinen Tochter hat er ein Pärchen schneeweißer russischer Zwergkaninchen geschenkt, damit sie rechtzeitig das Tierleben begreife und Verantwortung lernt.

Natürlich ist er begeisterter Radfahrer, fährt unerschütterlich bei jedem Wetter und hat im Keller auch eine kleine Werkstatt, wo er an Fahrradanhängern tüfelt oder Mischungen aus Naben- und Kettenschaltungen erfindet, die 34 Gänge ermöglichen. Gern sagt er verschmitzt, er sei nur ein einfacher Handwerker, nimmt aber dann durchaus geschmeichelt Widerspruch und differenzierende Komplimente entgegen.

Selbstverständlich wird in der Familie der Müll sortiert, was denn sonst? Papier, Metall, Glas, Batterien. Die Küchenabfälle für den Kompost. Weil aber nun der Garten zu weit weg ist von Berlin, als daß diese Abfälle dort gleich verwertet werden könnten, hat er sich ein weiteres schönes Hobby zugelegt, streng ökologisch.

Er hat sich eine Kiste gezimmert, sie in den Keller geschafft und mit etwas Erde gefüllt. Die vermischt er mit dem Abfall und züchtet Kompostwürmer, jawohl, kann er an Angler veräußern, und die neu entstehende Erde, weich, flockig und fruchtbar, die nimmt er dann immer mal wieder mit in den Garten, für Frühbeete und so.

Eines späteren Nachmittags war Artur bei ihnen vorbeigegangen, mal fragen, wie's so geht, und die schöne Ehefrau hatte ihm zwar ein Täßchen Kräutertee angeboten, doch spitz und schmallippig bemerkt, ihr Gatte sei im Keller, bei seinen Fahrrädern, Würmern und den Flaschen, die da auch rumstünden, Artur könne ja runtergehen, sie jedenfalls habe keine Lust, sie hätten sich gestritten.

Artur hatte gerade einen Schluck Tee nehmen wollen, behauptet er, als die Wohnungstür aufsprang und ein grüngesichtiger Mensch mit Schweißperlen auf der Oberlippe, zittrigen Händen und außer Atem ins Zimmer gestürzt kam.

So hatte ich ihn noch nie erlebt, schüttelt Artur den Kopf. Ich hatte schon die allerschlimmsten Befürchtungen, wg. Ehekrach und überhaupt, wollte mich gerade unauffällig verdrücken, als er mit schleppenden Schritten ans Vertiko trat, drei Gläser auf den Tisch stellte, je zwo Fingerbreit Rum eingoß und stumm zum Trinken aufforderte. Dann sackte er schwer in einen Korbsessel, wischte sich die Stirn, hatte den Unterkiefer vorgeschoben und blickte dumpf nickend auf Artur und seine Angetraute.

Im Keller hatte er seine Wurmkiste mal überprüfen und die Erde behutsam ein ein wenig auflockern wollen, auch sehen, warum in letzter zeit die Würmer sich so rar machten. Er hatte, erzählte Artur die durchaus nicht leichte Kiste angehoben um nachzuschauen, ob vielleicht die Unterlüftung nicht hinreichend sei, da habe sich ihm ein Bild geboten, was ihn zunächst gelähmt, dann jedoch die Kiste fallen lassen und rückwärts zur Kellertür getrieben habe. Eine riesenfette Ratte, andeutungsweise hatte er die Hände auseinandergehalten, habe da unter der Kiste gelauert, dick, auf Hinterbeinen, mit gesträubtem Fell, drohend gebleckten gelben Zähnen und glühenden Augen, inmitten mindestens einem halben Dutzend rosig nackter Jungratten.

Er hätte sich geschüttelt und einen zweiten Rum eingegossen, ehe er die anderen fragen konnte, was er denn jetzt wohl machen soll. Das, sagte Artur, konnte ich ihm auch nicht sagen. Clemens Walter

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