ARD-"Tatort" aus Frankfurt: Elend, Hass und Eifersucht
Ein toxischer Tampon - und die Komplexität ist zurück im HR-"Tatort": "Bevor es dunkel wird" (So., 20.15 Uhr, ARD).
Zyankali erlebt im deutschen Fernsehkrimi gerade ein kleines Comeback. Mag sein, dass das mit der neu entflammten Debatte zur Sterbehilfe zu tun hat. Letztes Wochenende ging es jedenfalls bereits in der Hamburger Reihe "K3" um eine Gruppe todessehnsüchtiger Philosophen, in deren Jackettaschen Kapseln mit dem ultraschnell wirkenden Gift klirrten.
Im Frankfurter "Tatort" (Regie: Martin Enlen, Buch: Henriette Piper) wird das Zyankali nun als perfides Racheinstrument eingesetzt: Die ehrenamtliche Helferin einer Lebensmittelausgabe für Bedürftige bricht während der Arbeit zusammen und ist kurz darauf tot. Wollte jemand die Hungerleidenden der Bankenmetropole aus dem Weg schaffen? Die Analyse der toxischen Einwirkung ist von der Gerichtsmedizinerin schnell geliefert, allein die Einnahme bleibt ungeklärt.
Erst als Ermittlerin Sänger (Andrea Sawatzki) auf der Damentoilette über den Fall sinniert, geht ihr ein Licht auf. Das Zyankali wurde vaginal verabreicht. So wendet sich der Großstadtkrimi, der als Sozialreport über die Verelendung am Rande der Wohlstandszonen beginnt, in ein Krimidrama über Hass und Eifersucht.
Nach dem biederen Betroffenheitskunsthandwerk, das Margarethe von Trotta zuletzt mit der Episode "Unter uns" lieferte, gewinnt der HR-"Tatort" also wieder eine gewisse gallige psychosoziale Komplexität: Ein Tampon, der solidarisch von einer Frau zur anderen gegeben wird, kann hier schon mal toxisch präpariert sein.
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