ARD-Doku über Jeans-Produktion: Staublunge für 9,99 Euro
Die ARD-Doku „Der Preis der Blue-Jeans“ geht der Produktion von billigen Kik-Jeans in in China nach. Und vermiest unser aller liebstes Kleidungsstück.
Marlon Brando in „The Wild One“, Patrick Swayze in „The Outsiders“. Die einstigen Nietenhosen der Halbstarken sind heute konsensfähiger, zeitloser als jedes andere Kleidungsstück. Die Jeans sind eine moderne Ikone, ein Mythos. Vor Jahren brachte ein in einer stillgelegten Silbermine gefundenes und auf das Jahr 1880 datiertes Levi’s-Exemplar bei einer Versteigerung 46.532 Dollar ein. Trotz seines schwer ramponierten Zustandes.
Der Discounter Kik bietet seine fabrikneuen Jeans hingegen schon für 9,99 Euro feil. Ein Preis, so sensationell günstig, dass die ARD dem in einer 45-Minuten-Dokumentation einmal investigativ nachgehen muss: „Was wissen WIR eigentlich über die Folgen UNSERES Jeans-Hungers und den Wunsch, immer weniger für die Massenware zu bezahlen?“
Christian Jentzsch und Michael Höft machen sich also auf und „folgen der Spur der Jeans nach China“. Über Hongkong („Hier laufen die Fäden zusammen.“) und Guangzhou geht es nach Xintang, in die „Welthauptstadt der Jeans“.
WIR erfahren zum Beispiel, dass der Fabrikant der 9,99-Euro-Kik-Jeans dafür von Kik rund 3 Euro bekommt. Dass das für seine im Akkord arbeitenden Näher einen Monatslohn von etwa 250 Euro bedeutet. Dass Industrialisierung keineswegs einhergehen muss mit Maschinisierung, denn: „Der Mensch ist billiger als jede Maschine.“ Dass das besondere Problem bei der Jeansfertigung der „Used-Look“ ist.
Denn der wird erzeugt durch viel Chemie (Hypochlorit, Kaliumpermanganat) und durch Sandstrahlen. Dass das bei uns natürlich streng verboten ist. Denn das tötet Menschen (Silikose – Staublunge) und Umwelt. Dass der Kik-Manager seine Hände in Unschuld wäscht und von den Chinesen genau die Gesetze einfordert, deren Abwesenheit seine/UNSERE 9,99-Euro-Jeans nur möglich macht.
Was WIR zum Beispiel nicht erfahren – WIR, die wir heute im Post-501-Zeitalter eben nicht nur nach 9,99-Euro-Jeans von Kik lechzen, sondern auch nach Junya-Watanabe-Jeans für 500 Euro: Darf denn, wer ein bisschen mehr springen lässt, auch ein etwas reineres Verbraucher-Gewissen haben? Oder werden alle Jeans, auch die teuren, unter den gleichen Bedingungen hergestellt? Bleibt am Ende nur noch der Weg in den Weltladen? Die ARD verrät es nicht.
„Die Story im Ersten: Der Preis der Blue-Jeans“, Montag 22.45 Uhr, ARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?