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Archiv-Artikel

ANNE HAEMING DER WOCHENENDKRIMI Reich und obszön

Gerade hat Arno Berger auf der Geburtstagsfeier des „Kartoffelkaisers“ Lüdinghaus (Michael Wittenborn) noch eine Line Koks geschnupft, schon liegt er erschossen auf dem verschneiten Acker. Fingerabdrücke führen zu einem Mann, der längst für tot erklärt wurde – vom Pathologen Boerne (Jan-Josef Liefers) höchstselbst.

Doch die Frage, wer Berger weshalb umgebracht hat, interessiert dummerweise ab Minute fünf nicht mehr. Die Münsteraner Kripo konzentriert sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Toten: Rüdiger Klarbach, der einst im Wirtschaftsministerium Subventionen für den Aufbau Osteuropas organisierte, Steuern hinterzog, das ganze korrupte Programm. Und dann offiziell in Kapstadt umkam. In Münster sitzen seither seine alkoholisierte Witwe und Tochter Nele, die die Schnauze voll hat – was Henriette Confurius herrlich rotzig spielt. Nutznießer jener Osteuropa-Gelder sind auch Kartoffel-Lüdinghaus und Klarbachs Schwiegervater.

Magnus Vattrodt (Buch) und Matthias Tiefenbacher (Regie), von denen auch die hanebüchene Münsteraner „Tempelräuber“-Folge stammte, lassen kein Reichenklischee aus. Ein wenig Dieter-Wedel-Schickeria hier (so passt auch Wedel-Dauerbesetzung Wittenborn perfekt), ein wenig „Derrick“-Milieu da, beim Kartoffelkaiser liegen Kartoffeln aus Gold herum. Und mittendrin Kommissar Thiel (Axel Prahl) mit seinem von der Staatsanwältin diagnostizierten „kleinbürgerlichen Robin-Hood-Reflex“. Zu allem Überfluss muss wieder das Privatleben der Ermittler instrumentalisiert werden: So fährt Vater Thiel Altkleider nach Moldawien und Boerne sitzt das Finanzamt im Nacken. In Gestalt einer – noch ein Klischee – sexy Steuerprüferin mit Hornbrille und Dutt.

Von einigen feinen Dialogen abgesehen also eine Story so unterirdisch wie Kartoffelanbau. Ach, und bitte: Thiels St.-Pauli-Shirts könnten auch mal nach Moldawien verschickt werden.

Münster-“Tatort“: „Herrenabend“, So., 20.15 Uhr, ARD