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Archiv-Artikel

ANNA LEHMANN ÜBER DIE INSOLVENZ DER ODENWALDSCHULE Endlich dicht

Die Odenwaldschule – kurz „Oso“ genannt – schließt zum Schuljahresende. Das wäre schon vor 17 Jahren fällig gewesen.

Denn als 1998 erstmals ehemalige Schüler öffentlich darüber berichteten, von ihrem damaligen Schulleiter Gerold Becker in den 1970er und 1980er Jahren sexuell missbraucht worden zu sein, hätte die Schule diese Berichte ernst nehmen und eine unabhängige Untersuchung einleiten müssen. Das Ergebnis hätte nur eine Radikalreform sein können, das heißt, man hätte die Schule schließen und von Grund auf neu gründen müssen.

Vor fünf Jahren wäre ein zweiter guter Zeitpunkt gewesen, die Schule dichtzumachen. Auch diese Gelegenheit wurde verpasst. Zwar war es die damalige Schulleiterin Margarita Kaufmann selbst, die zum 100. Schuljubiläum und aufgrund neuer Medienberichte beschlossen hatte, dass die Schule die Vergangenheit durchleuchten und sich den kriminellen Details stellen müsse. Doch die Schule tat sich schwer, notwendige Konsequenzen zu ziehen und ihr pädagogisches Konzept mit seiner bedenklichen Nähe zum Kind zu überdenken. Die Gepflogenheit, wonach die Lehrer die Wohngruppen der Internatschüler als Familienoberhäupter leiten, gab die Schule erst 2014 auf. Obwohl gerade dieses Familienprinzip als begünstigender Umstand für den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen gilt. Als im gleichen Jahr ein Lehrer aufflog, der Kinderpornos heruntergeladen hatte, war die Schule im freien Fall.

Was bleibt? Schüler, die eine neue Schule, und Lehrer, die einen neuen Job finden müssen. Aber auch eine Reformpädagogik, deren ruinierter Ruf auf dem Weg der Genesung ist: Längst gibt es nämlich andere integrierte Gesamtschulen, die die pädagogisch wegweisenden Elemente der „Oso“ weiterführen.

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