ANGRIFFE GEGEN THAIS: KAMBODSCHAS REGIERUNG SUCHT SÜNDENBÖCKE : Plumpe Taktik
Zwei Tage nach den antithailändischen Unruhen ist zumindest äußerlich wieder Ruhe in Kambodscha eingekehrt. Hinter den Kulissen jedoch ist die Lage weiterhin angespannt. Zwar hat sich die Regierung in Phnom Penh offiziell entschuldigt und Wiedergutmachung angekündigt. Aber die Probleme zwischen den beiden südostasiatischen Nachbarn sind grundsätzlicher Natur.
Wahrscheinlich ist, dass die Plünderungen und das Niederbrennen thailändischen Eigentums von hohen Stellen in der kambodschanischen Politik angezettelt wurden. Angesichts bevorstehender Parlamentswahlen will die Regierung von ihrem politischen Versagen und der Korruption in den eigenen Reihen ablenken. Welches Mittel wäre da geeigneter, als sich Sündenböcke im Ausland zu suchen? Das traurige Ergebnis der plumpen und zynischen Taktik zeigt, wie tief antithailändische Ressentiments in Kambodscha sitzen.
Immer wieder kam es in der Geschichte zu blutigen Konflikten zwischen den beiden Staaten. Bis heute gibt es Grenzstreitigkeiten. Auch das wirtschaftliche Verhältnis ist nicht unbelastet: Thailand gilt zwar als einer der wichtigsten Investoren in Kambodscha, doch der ökonomische Erfolg des reicheren Nachbarn macht den Kambodschanern auch zu schaffen. Das Geld fließt nämlich in die Taschen der Elite, die Bevölkerung bleibt bettelarm. Darüber hinaus werfen die Kambodschaner Thailand vor, nach wie vor Handel mit den Resten der Roten Khmer in der Grenzregion zu betreiben.
Letztlich hat sich Kambodschas politische Elite mit den Krawallen ins eigene Fleisch geschnitten. Allein die Wiedergutmachungen belaufen sich auf bis zu 25 Millionen Euro. Hinzu kommt der Imageschaden: Viele Thais wollen ihr milliardenschweres Investment erst einmal einfrieren. Doch das hindert die Regierung nicht daran, neue Sündenböcke zu benennen: den Leiter einer unabhängigen Radiostation etwa, dem vorgeworfen wird, den Gewaltausbruch in Phnom Penh mit Gerüchten angeheizt zu haben; oder die Opposition, die Kambodschas Regierung jetzt als Strippenzieher der Unruhen beschuldigt. NICOLA GLAS