ANGEZAPFT JÖRN KABISCH : Schön, wenn sich der Mund verzieht
Dieses Getränk hat keinen allzu guten Ruf. Die Redensart, jemand biete etwas, was unverkäuflich ist, wie sauer Bier an, taucht schon in Grimmelshausens Simplicissimus auf. Starke säuerliche Noten gelten als Indiz dafür, dass die Flasche ungenießbar geworden ist. Gemeinhin ist das auch richtig.
Es gibt allerdings Biere, die absichtlich sauer eingebraut werden. Vor allem in Belgien ist das noch lebendige Tradition. Schuld daran sind eigene Hefestämme namens Brettanomyces. Durch sie wird neben der alkoholische Gärung auch eine Milchsäurefermentation ausgelöst, ähnlich wie bei Sauerkraut. So wie eingelegter Kohl bleibt das Bier länger haltbar.
In kleinen Nischen überlebt die Bierart auch hierzulande, man kennt Berliner Weiße, Lichtenhainer oder Leipziger Gose. Leider nur vertrauen viele Brauer nicht mehr auf die Brettanomyces, sondern setzen Milchsäurebakterien zu.
Das Besondere an der Leipziger Gose ist: Dieses Bier enthält auch noch Salz und Koriander. Das Rezept geht auf eine Zeit vor dem Jahr 1516 zurück; deshalb hat das Reinheitsgebot die sächsischen Brauer nie groß gejuckt.
Salzig schmeckt das Bier deswegen aber keineswegs. Es verströmt nur einen feinen Duft und erinnert im Mund wegen der lebendigen Kohlensäure etwas an Cider. Das Salz verhilft dem Bier vor allem zu Cremigkeit, der Koriander zu pfeffrigen Noten; das wirkt zusammen mit der feinen Säuerlichkeit sehr erfrischend. Natürlich ist ein Schuss Sirup auch bei der Gose nicht verboten. Beim Sauerbier aber gilt die Devise: Es muss auch pur ein Genuss sein.
■ Orig. Ritterguts Gose, Brauhaus Hartmannsdorf, Alkohol 4,2 Vol.-%