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Archiv-Artikel

ANDREAS WYPUTTA ÜBER DEN VIELFÄLTIGEN WIDERSTAND GEGEN NEONAZIS Lohnender Protest

Samstag in Münster, heute in Chemnitz: Der Protest gegen die immer häufiger werdenden Aufmärsche von Neonazis ist heftig, bunt, oft witzig – und lohnt sich. Denn das Engagement der vielen BürgerInnen, die in Anti-Nazi-Bündnissen schon seit Monaten zum Widerstand gegen die rassistische Propaganda der Ewiggestrigen mobilisieren, hat einen Wert, der gar nicht hoch genug einzuschätzen ist: Ihrer Zivilcourage ist es zu verdanken, dass sich die rechten Volksverhetzer nicht als heimliche Sieger fühlen können. Die Tausenden, die sich in Münster höchstens 350 Rechtsextremen in den Weg gestellt haben, machen überdeutlich, dass die Neonazis eben nicht für eine schweigende Mehrheit stehen, die auf direktem Weg zurück in die Diktatur will.

Hilfe von der Polizei aber können die Neonazi-Gegner dabei nicht erwarten. Viel zu oft erwecken die Beamten den Eindruck, als wollten sie nicht die demokratische Öffentlichkeit, sondern die Verfassungsfeinde schützen. Viel zu oft werden friedliche BürgerInnen kriminalisiert – und nicht die Neonazis, denen stattdessen die Straße mit Räumpanzern und Wasserwerfern freigeräumt wird.

Mag die Meinungsfreiheit auch ein hohes Gut sein: Geschützt werden damit „bekennende Nationalsozialisten“. Polizeipräsidenten und deren vorgesetzte Innenminister müssen sich deshalb der Frage stellen, warum sie immer wieder viel zu großzügige Deals mit den Rechtsextremen eingehen, warum sie ihnen immer wieder attraktive Aufmarschwege freiknüppeln lassen – und so die Wut der Gegendemonstranten schüren. Eingeschränkt werden muss nicht die Bewegungsfreiheit der demokratischen Mehrheit, sondern die der Verfassungsfeinde: Denen muss auch eine Standkundgebung in einem abgelegenen Industriegebiet genügen – ob in Münster, Chemnitz oder anderswo.

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