ANDREAS BEHN ÜBER DIE PROTESTBEWEGUNG IN BRASILIEN : Die Präsidentin steht alleine da
Lange Zeit hat die Präsidentin geschwiegen. Jetzt appelliert Dilma Rousseff in freundlichem Ton an die Demonstranten, Brasilien solle sich als guter Gastgeber für die Fußballwelt zeigen. Sie zeigt viel Verständnis für friedliche Massenproteste, schließlich habe sie selbst gegen die Diktatur für Demokratie und Meinungsfreiheit gekämpft. Sie ruft zum Dialog auf, verspricht mehr Geld für Bildung, Gesundheit und Nahverkehr.
Die Wut auf der Straße wird ihre kühl vorgetragene Erklärung nicht mindern. Kaum jemand glaubt den guten neuen Vorsätzen. Wo soll plötzlich das viele Geld herkommen? Oder wieso soll es erst dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn Millionen Menschen auf die Straßen gehen?
Die Regierung steckt in einer Zwickmühle. Lange Jahre boomte die Wirtschaft, den meisten geht es finanziell besser als früher. Doch das reicht den Menschen nicht mehr. Ihnen wird von oben erzählt, auf schnellem Wege in die erste Welt zu sein, Brasilien sei jetzt ein Global Player mit der siebtgrößten Volkswirtschaft. Da wächst im täglichen Stau, in überfüllten Bussen und in den Schlangen vor dem Krankenhaus der Unmut. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander.
Rousseff steht mit dem Rücken zur Wand. Auf die Linke kann sie nicht mehr zählen, seit die Regierung nur noch auf Wirtschaftswachstum setzt und den sozialen Bewegungen den Rücken kehrt. Und die Rechte dankt es ihr nicht. Die möchte zurück an die Macht und an die Pfründen. Zu allem Übel ist Rousseff auf Koalitionspartner angewiesen – zumeist rechte, zutiefst korrupte Parteien, die noch nie an Fortschritt interessiert waren.
Folgerichtig kommt der Protest von allen Seiten, von links, von rechts, von Unzufriedenen und von Mitläufern. Rousseffs einzige Hoffnung bleibt, dass dieses diffuse Spektrum so plötzlich ermüdet, wie es aufgewacht ist.
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