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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Verfehlungen im Amt

BASKETBALL Weil er Vettern- wirtschaft betrieben haben soll, muss NBA-Gewerkschafts- boss Billy Hunter gehen

Diesmal fand das Spektakel in Houston statt. Die besten Basketballspieler der Welt trafen sich zum All-Star-Spiel der NBA und traten am Sonntag gegeneinander an. In einem wie gewohnt eher lockeren Spielchen ohne große Verteidigungsbemühungen siegte die Auswahl aus dem Westen 143:138 gegen den Osten. So überschaubar die sportliche Signifikanz des Events blieb, so groß war der Unterhaltungswert. Zu bestaunen waren krachende Dunks, verwegene Pässe und reichlich Deckungsfehler.

Sehr viel ernster war es tags zuvor zugegangen. In geheimer Sitzung hatten sich Vertreter der Profis von fast allen NBA-Teams getroffen. Einziger Tagesordnungspunkt: die Zukunft der National Basketball Players Association (NBPA). Denn die steckt in der Krise, seit ruchbar wurde, dass in der mächtigen Spielergewerkschaft anscheinend Vetternwirtschaft herrscht und leichtsinnig mit Geld umgegangen wird.

Im Zentrum des Skandals steht Billy Hunter, der als Geschäftsführer die Geschicke der NBPA seit 1996 leitet. Zwar steht der Gewerkschaft offiziell ein meist noch aktiver Spieler als Präsident vor, aber der hauptamtliche Geschäftsführer ist der starke Mann. Er führt die Tarifverhandlungen, er leitet das NBPA-Büro in New York und verwaltet das Geld der Gewerkschaft, vor allem die Rentenkasse mit vielen Millionen Dollars.

Die ersten Irritationen um Hunter entstanden 20011 während des Arbeitskampfes, der beinahe die ganze NBA-Saison verhindert hätte. Es kamen Gerüchte auf, Hunter und NBPA-Präsident Derek Fisher, fünfmaliger NBA-Meister mit den Los Angeles Lakers, führten getrennt voneinander Verhandlungen mit den Klubbesitzern. Spätestens seitdem war das Verhältnis zwischen dem damals noch als Profi aktiven Derek Fisher und dem 70-jährigen Billy Hunter zerrüttet.

Das dürfte der Grund gewesen sein, dass der auch unter seinen Profi-Kollegen nicht unumstrittene Fisher die Kanzlei Paul, Weiss, Rifkind, Wharton & Garrison mit einer Prüfung der Gewerkschaftsgeschäfte beauftragte. Die Rechtsanwälte trugen einen 469 Seiten starken Bericht zusammen, der Mitte Januar veröffentlicht wurde.

Der Report förderte zwar keine kriminellen Machenschaften zutage, legte aber offen, dass Hunter private Interessen bisweilen über die seines Arbeitgebers gestellt hatte. Er hätte seiner Tochter und seiner Schwiegertochter Jobs in der Gewerkschaft besorgt oder mit einer Bank, für die sein Sohn arbeitet, obskure Geschäfte abgewickelt. Bis zu siebenstellige Summen sollen unsauber abgerechnet worden sein. Mittlerweile werden die Geschäftspraktiken auch von staatlichen Stellen untersucht.

Hunter, der 3 Millionen Dollar jährlich verdient, bestritt die Vorwürfe vehement und stellte seine Bilanz heraus. Als er vor 17 Jahren seinen Posten antrat, drückte die Gewerkschaft eine Schuldenlast von 5 Millionen Dollar. Mittlerweile hätte die NBPA mehr als 80 Millionen an Rücklagen angesammelt. Trotzdem wurde Hunter Anfang Februar von NBPA-Präsident Derek Fisher beurlaubt.

In Houston wurde nun über seine Zukunft verhandelt. Die Spielervertreter entschieden sich einstimmig, ihren Geschäftsführer, der nicht zur Sitzung eingeladen war, zu feuern. Vor allem LeBron James, so wurde bekannt, hatte sich bei der Diskussion hervorgetan. Der momentan beste Basketballer der Welt soll die Anwälte, die den Report verfasst hatten, ins Kreuzverhör genommen haben wie ein erfahrener Jurist. „Es ging um unsere Zukunft“, sagte LeBron James später, aber um die schlingernde Gewerkschaft wieder auf Kurs zu bringen, „haben wir noch viel Arbeit vor uns.“

Dass sich ausgerechnet James so engagiert, ist eine Überraschung. Die großen Stars der NBA halten sich sonst gern heraus aus den Niederungen der Bürokratie und haben keine große Lust, ihre Zeit in Meetings zu verbringen. Im neunköpfigen Aufsichtsrat sitzen deshalb vorwiegend Bankdrücker oder Profis, die über ihren Zenit hinaus sind.

Einzige Ausnahme: Chris Paul. Auch der Aufbauspieler der Los Angeles Clippers hob am Samstag brav seine Hand, um für die Entlassung von Billy Hunter zu stimmen. Am folgenden Tag sammelte er 20 Punkte, verteilte 15 Assists und wurde zum wertvollsten Akteur der All-Star-Sause gewählt. Billy Hunter hat derweil angekündigt, alle Mittel auszuschöpfen, um seinen Job zu behalten. THOMAS WINKLER