AMERICAN PIE : Ruhm den Ahnen!
BASEBALL Die Dopingära in der MLB will nicht enden. Für die Besten der letzten Dekaden ist daher kein Platz in der Hall of Fame
Einmal im Jahr wird Cooperstown zum Nabel der Baseball-Welt. Dann kommt Leben in das Städtchen nördlich von New York, in dem die Hall of Fame ihren Sitz hat. Zu den 1.800 Einwohnern gesellen sich dann Zehntausende, die dabei sein wollen, wenn Helden von einst in die Ruhmeshalle aufgenommen werden. Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit, aber diesmal glich die Veranstaltung eher einer Beerdigung.
Es lag nicht nur am Regen, dass kaum 2.000 Zuschauer gekommen waren. Der Grund war vor allem, dass die Hauptpersonen schon alle tot waren. Zum ersten Mal seit 1965 wurde kein lebender Mensch in die Hall of Fame aufgenommen, der eine mit melancholischen Erinnerungen und Anekdoten aus alten Zeiten versehene Rede hätte halten können. Das mussten stattdessen die Nachfahren der Geehrten, die allesamt schon seit den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts unter der Erde sind, übernehmen.
So durfte eine gewisse Anne Vernon die Bronzetafel ihres Urgroßonkels Jacob Ruppert stemmen. Der war bis 1939 Besitzer der New York Yankees. Die anderen neuen Hall-of-Famer sind noch unbekannter: Ein Schiedsrichter, der die ersten World-Series-Spiele 1903 geleitet hat, und ein Spieler, der noch im 19. Jahrhundert aktiv war.
Dabei wären durchaus große Namen an der Reihe gewesen, in diesem Jahr musealisiert zu werden. Barry Bonds, Roger Clemens, Mark McGwire oder Sammy Sosa gehörten zu den allerbesten Baseball-Profis ihrer Zeit und wären sportlich zweifellos qualifiziert. Aber sie fanden keine Gnade beim Wahlgremium, weil ihre Karrieren allesamt unter Dopingverdacht stehen: McGwire hat den Gebrauch von Anabolika zugegeben, Sosa wurde 2003 sogar erwischt, Bonds und Clemens wurde vor Untersuchungsausschüssen immerhin nachgewiesen, dass sie gelogen haben. Alle vier spielten in einer Ära, in der es keine oder nur sehr laxe Dopingkontrollen gab. Das hat sich nun geändert. Was dazu führen könnte, dass die Hall-of-Fame-Feier auch in der Zukunft weiter eine eher traurige Veranstaltung wird.
Auch Ryan Braun wird es wohl kaum nach Cooperstown schaffen. Der Star der Milwaukee Brewers hat Ende vergangener Woche eine Suspendierung bis Ende der aktuellen Saison akzeptiert. Braun hat Verbindungen zu Biogenesis, der berüchtigten Wellness-Klinik in Florida, die offensichtlich vor allem ein Dopingumschlagplatz war. Und die Beweise gegen den Mann, der vor zwei Jahren noch zum wertvollsten Spieler der National League gewählt wurde, waren wohl so überwältigend, dass der 29-Jährige einen Deal mit Major League Baseball (MLB) abschloss – darauf verzichtete, seine Sperre anzufechten, und damit indirekt ein Geständnis ablegte.
So viel Einsicht ist von Alex Rodriguez nicht zu erwarten. Der immer noch bestbezahlte Profi aller Zeiten war ebenfalls Kunde bei Biogenesis, ließ aber erst am Montag durch seinen Anwalt zum wiederholten Male ausrichten, dass er gegen Sanktionen mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen werde. Nun berichten amerikanische Medien, dass Bud Selig fest entschlossen ist, das ehemalige Aushängeschild seiner Liga endgültig loszuwerden. Dazu will der MLB-Chef notfalls einen so gut wie nie genutzten Paragrafen im Regelwerk ausgraben, der ihn dazu ermächtigt „Maßnahmen gegen einen Spieler zu ergreifen, um die Integrität des Sports zu bewahren“.
Schweres Geschütz gegen einen, der eine Karriere hinlegte, die ihm einen diskussionslosen Platz in der Hall of Fame garantieren würde. Aber egal, ob Rodriguez gesperrt wird wie Braun, egal, ob ein jahrelanger Rechtsstreit droht: Die Reputation des 38-Jährigen ist eh schon beschädigt, seit er 2009 unter großem öffentlichen Druck bereits verjährte Dopingsünden aus den frühen Nullerjahren zugeben musste. Seitdem, behauptet Rodriguez, sei er sauber. In Cooperstown aber werden sie auch auf ihn mit großer Sicherheit verzichten müssen. THOMAS WINKLER