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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Im Lernprozess

BASKETBALL Am Wochen- ende beginnt die WM in der Türkei. Die NBA-Talente im Team USA gelten dabei allenfalls als Mitfavoriten

„Wir mögen unser Team, aber wir sind keine Macht“

COACH MIKE KRZYZEWSK

Es war ein Sieg. Und dann auch wieder nicht. Es war: ein Sieg in einem Vorbereitungsspiel. In der seltsamen Logik des Sports bedeutet das: Hier zählt mal nicht wie sonst nur das Ergebnis, sondern vor allem, wie es zustande kam. Aber weil es zustande kam, wie es zustande kam, weil dieser Sieg, der so recht keiner war, hart erkämpft wurde und eine spielerische Aufwärtsentwicklung erkennen ließ und weil er Hoffnung machte auf Siege, die dann etwas zählen, wurde das Ergebnis dann doch gefeiert als das, was er war: ein Sieg gegen den amtierenden Weltmeister.

Während die Spanier also ihre 85:86-Niederlage im heimischen Madrid weitgehend achselzuckend zur Kenntnis nahmen, beschloss die siegreiche Basketballnationalmannschaft der USA, mit gestiegenem Selbstvertrauen in die am Wochenende beginnende Weltmeisterschaft in der Türkei zu gehen. Ein Selbstvertrauen, das die Mannschaft bitternötig hat. Denn niemals seit wieder NBA-Profis fürs US-Nationalteam rekrutiert werden, hat man einem Team USA so wenig zugetraut.

Die Rolle des Underdog ist eine ungewohnte. Seit das legendäre „Dream Team“ 1992 in Barcelona olympisches Gold gewann, ist nicht nur der Respekt vor den US-Profis kontinuierlich gesunken, sondern auch die Beliebtheit der Multimillionäre aus der NBA. Tatsächlich datiert der letzte WM-Titel der USA aus dem Jahre 1994. Seitdem siegte zweimal Jugoslawien und bei den letzten Welttitelkämpfen in Japan vor vier Jahren Spanien. Damals verloren die US-Boys im Halbfinale gegen Griechenland. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit war da lange schon dahin und durch Häme ersetzt worden: Die Welt genoss es, die scheinbar übermächtigen Amis verlieren zu sehen.

Vor zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Peking marschierten die USA dann zwar mal wieder so souverän zur Goldmedaille, wie man es von ihnen erwarten darf. Damals spielten allerdings die besten Profis, die die NBA zu bieten hatte. Diesmal aber gönnen sich Kobe Bryant, LeBron James, Carmelo Anthony oder Dwayne Wade eine Auszeit. Vom Olympiateam ist kein einziger Akteur dabei in der Türkei, und Trainer Mike Krzyzewski, der hauptberuflich die Mannschaft des traditionsreichen Duke Colleges trainiert, durfte einen Großteil der Vorbereitung mit dem Abheften von Absagen verbringen.

So muss „Coach K“, wie er genannt wird, seine Spieler nicht nur auf die im Vergleich zur NBA veränderten Regeln des Basketball-Weltverbandes Fiba vorbereiten und ihre bisweilen überbordenden Egos zu einem Team formen. Er muss nicht nur Psychologe und Manager sein, sondern diesmal auch ganz klassische Trainerarbeit leisten, denn seine Auswahl ist schlicht nicht gut genug, Gegner wie Spanien, Argentinien oder Brasilien allein mit individueller Klasse auseinanderzunehmen. Folgerichtig lässt Krzyzewski seinen Assistenten Jim Boeheim, ebenfalls ein College-Coach, sehr intensiv die bei den Profis verhasste Zonenverteidigung einstudieren.

Denn so viele Löcher hatte ein US-Team nie zuvor. Gute Distanzschützen fehlen ebenso wie die Erfahrung auf den wichtigen Aufbaupositionen und die langen Leute unter den Körben. „Wir sind nicht allzu groß“, weiß auch Krzyzewski, der aufgrund von Verletzungen und Absagen mit Tyson Chandler nur einen echten Center im Kader hat. Dafür steht ihm für die kleinere Position auf den Flügeln ein Überangebot zur Verfügung. Kevin Durant, Rudy Gay oder Andre Igoudala sind Spieler, die symptomatisch stehen fürs ganze Team: talentiert, aber viel zu jung und weitgehend frei von internationaler Spielpraxis.

Wenn Coach K von seiner Mannschaft spricht, dann benutzt er also Wörter wie „entwickeln“, er sagt: „Wir müssen uns verbessern.“ Oder: „Wir brauchen Kontinuität.“ Und Durant erklärt den knappen Sieg gegen Spanien zu einer „Lernerfahrung, bei der wir uns durchgebissen haben“. Es ist ein vollkommen anderer Ton, den dieses US-Team anschlägt als frühere, vor typisch amerikanischem Selbstvertrauen strotzende Ausgaben. Krzyzewski sagt: „Wir mögen unser Team.“ Er sagt aber vor allem: „Wir sind keine Macht.“ Denn er weiß: Diese Mannschaft ist vielleicht gut genug, den WM-Titel zu gewinnen, aber das ist ein sehr großes Vielleicht. THOMAS WINKLER