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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Neues Image für die Schläger

SHOW-RINGEN Linda McMahon kandidiert für den US-Senat. Wegen ihrer Wrestling-Vergangenheit muss sie harsche Kritik ertragen

Niemand weiß seine Fans mehr zu schätzen als wir“, sagte Vince McMahon, Chef der Organisation „World Wrestling Entertainment“ und bedankte sich beim Publikum für die Unterstützung. Auf der WWE-Website laufen seit Wochen Videos unter dem Slogan „Stand up for WWE“, in denen Angestellte die familiäre Atmosphäre im Unternehmen preisen und Fans betonen, die Veranstaltungen seien „das perfekte Erlebnis für die ganze Familie“.

Die WWE selbst braucht diese Werbung nicht unbedingt. Sie hat gute Einschaltquoten. Es ist vielmehr McMahons Frau Linda, die den indirekten Zuspruch benötigt. Die 62-Jährige, einst mit ihrem Ehemann an der Spitze des Unternehmens, kandidiert heute im US-Bundesstaat Connecticut als Senatorin für die Republikaner. Angeblich hat sie in ihren Wahlkampf über 50 Millionen Dollar investiert. Sie wirbt um Stimmen mit Slogans wie „mehr Arbeitsplätze“ oder „niedrigere Steuern“.

Seit Ankündigung ihrer Kandidatur sieht sich McMahon schwerstem Beschuss ausgesetzt, obwohl sich ihr Wahlkampfteam anfangs alle Mühe gab, die WWE aus dem Werben um Stimmen herauszuhalten. „Sie mag aussehen wie eine harmlose Lehrerin, aber sie wusste immer ganz genau, was im Ring vor sich ging. Sie hat wie ihr Mann Blut an ihren Händen“, sagt Billy Graham, in den 70ern und 80ern einer der größten Stars im Geschäft. Heute ist Graham, 67, einer der größten Kritiker der Szene, hält Vorlesungen über die körperlichen und psychischen Schäden, die die unter Wrestlern verbreiteten anabolen Steroide anrichten.

„Früher hatte sie auch kein Problem damit, dass wir uns mit Rasierklingen heimlich Platzwunden zufügten, um zu bluten. Wieso gibt es das heute nicht mehr? Weil sie für den Senat kandidiert“, schimpft Graham. Seit 2008 – kurz vor McMahons Kandidatur – sind die Sendungen der WWE als „PG-rated“ eingestuft worden, das heißt, Kinder dürfen unter Aufsicht der Eltern zugucken bei der getürkten Schlägerei. Seitdem ist deutlich weniger Macho-Kult in und um den Ring im Spiel, gespielte Schimpftiraden unter den Wrestlern sind längst nicht mehr so rau wie zuvor. Ziel: Salonfähigkeit. McMahons erzkonservativer Parteikonkurrent Ted Simmons verwies nichtsdestotrotz auf einen „Eugene“ genannten Wrestler mit dem Gemüt eines Kleinkindes – und unterstellte McMahon, Menschen mit Behinderungen der Lächerlichkeit preiszugeben.

„Diese Showfigur sollte zeigen, dass auch Menschen mit Benachteiligungen alles erreichen können, was sie wollen“, entgegnete das McMahon-Lager. „Der Wahlkampf um meine Ehefrau hat unser Unternehmen in einem sehr schlechten Licht erscheinen lassen“, sagt Vince McMahon. „Dieses Bild wollen wir nun geraderücken.“ Man ging sogar auf Chris Nowinski zu, einst selbst WWE-Wrestler, ehe der heute 32-Jährige vor sechs Jahren aufgrund zahlreicher Gehirnerschütterungen seine Karriere früh beenden musste. Heute steht Nowinski dem Sports Legacy Institute vor, das die Langzeitfolgen durch Gehirnerschütterungen und ähnliche Traumata bei Sportlern untersucht – mit für das Wrestlinggeschäft oft unliebsamen Resultaten. Ehemann McMahon schickte zudem ein Paket mit WWE-Fanartikeln an eine Bundesstaatssekretärin, die zuvor in Erwägung gezogen hatte, ebensolche als „politische Meinungsäußerung“ zu bewerten und vom Wahltag zu verbannen. In den USA ist das Tragen von Parteiemblemen und Ähnlichem im Umkreis von 250 Metern um die Wahllokale untersagt. Zum Gang an die Urne heute will McMahon freilich im WWE-T-Shirt antreten. Der Gegner seiner Ehefrau, Demokrat Richard Blumenthal, lag in letzten Umfragen trotzdem mit wenigen Prozentpunkten vorn.

DAVID DIGILI