AMERICAN PIE : Verbotene Äußerungen
OLYMPISCHE SPIELE 2024 In Boston wollen sich Unternehmer die Zustimmung der Bevölkerung erkaufen
Gewaltige Vorteile“ würde es der Stadt Boston bringen, wenn die Olympischen Sommerspiele 2024 dort stattfinden sollten, versicherte der Bürgermeister Marty Walsh am vergangenen Wochenende. Boston würde an allen Ecken und Enden wirtschaftlich davon profitieren. Man kennt die vorolympischen Versprechen der blühenden Landschaften in spe zu Genüge.
Im Fall von Bostons Olympiabewerbung ist aber auch die Konkurrenz angetan. Der einstige Ruder-Olympiasieger und heutige Professor für Wirtschaftswissenschaften, Wolfgang Maennig, der sich im innerdeutschen Wettbewerb zwischen Hamburg und Berlin für die Hauptstadt stark macht, rät zur Boston-Kopie. Wie die US-Stadt soll Berlin sich die olympischen Spiele von privaten Investoren finanzieren lassen, schlägt er vor.
Mit dieser Idee hat Boston im eigenen Land bei den Sportfunktionären mächtig punkten und damit beispielsweise San Francisco ausstechen können. Nachdem sich zuletzt fast nur noch autoritäre Staatssysteme für die Ausrichtung des sportlichen Megaevents interessierten und in demokratisch verfassten Staaten die Bevölkerung wegen der immensen Ausgaben auf die Barrikaden ging, könnte das Bostoner Modell wirklich Schule machen.
John Fish, der größte Bauunternehmer in der Region, den viele ohnehin für den mächtigsten Mann in Boston halten, hat sich des Projekts Olympia angenommen. Mit Hilfe seines mächtigen Unternehmernetzwerkes möchte er sich die Zustimmung der Bevölkerung quasi erkaufen. Der smarte Firmenbesitzer wirbt für kleine kompakte und angeblich sehr preiswerte Spiele in der 600.000-Einwohner-Stadt in Massachusetts. Lediglich 4,5 Milliarden Dollar sollen sie kosten und ohne Steuergelder finanziert werden. Die Chancen für Boston stehen schon deshalb gut, weil die USA zuletzt zweimal mit Bewerbungen scheiterte. Zudem überweist der amerikanische TV-Sender NBC dem IOC für Übertragungsrechte bis 2032 über 7,75 Milliarden Dollar. Dafür werden auch gewisse Gegenleistungen erwartet.
Doch für manch einen klingt all das zu schön, um wahr zu sein. Vor einigen Tagen äußerten sich Abgeordnete des Stadtparlaments in Boston besorgt, ob nicht doch mit öffentlichen Geldern mögliche Lücken im Finanzierungskonzept geschlossen werden müssen. Einige Infrastrukturinvestitionen wurden von den Olympiamachern im Bewerbungskonzept als sowieso geplante Vorhaben einfach vorausgesetzt. Einige sind auch deshalb besorgt, weil in den letzten Jahrzehnten Olympiastädte regelmäßig ein Vielfaches von den ursprünglich veranschlagten Kosten berappen mussten.
So ist das Misstrauen in Boston trotz der privatwirtschaftlichen Initiative groß. Bei einer Umfrage im vergangenen Sommer sprachen sich nur 47 Prozent der Bevölkerung für die Spiele aus, 43 Prozent votierten dagegen. Auch eine Nolympia-Bewegung hat sich in der Stadt formiert. Deren Aktivisten erwägen, einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Inwieweit eine derartige Abstimmung bindende Kraft hätte, ist jedoch unklar.
Potentielle Olympiaausrichter tun sich offenbar weltweit mit demokratischen Willensbekundungen und Transparenz schwer. Wie die Tageszeitung Boston Globe im Januar berichtete, hat Bürgermeister Walsh mit dem Nationalen Olympischen Komitee der USA (Usoc) ein Abkommen getroffen, das städtischen Angestellten verbietet, sich negativ über die Bewerbung von Boston zu äußern.
JOHANNES KOPP