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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Es geht um: uns, uns, uns

COLLEGE-BASKETBALL Die Kentucky Wildcats sind drauf und dran, einen Durchmarsch hinzubekommen. 31 Siege ohne Niederlage stehen schon zu Buche. Und neun Spiele stehen noch an bis zum Finale

Keiner der hoch gehandelten Jungspunde erzielt im Schnitt mehr als elf Punkte

In Las Vegas kommen gerade ein paar Buchmacher richtig ins Schwitzen. Die haben den Fehler begangen, im vergangenen Sommer Wetten darauf anzunehmen, dass die Basketballmannschaft der University of Kentucky in dieser Saison ungeschlagen bleibt. Die Quote damals: 50:1. Acht Monate und 31 Siege später sind die Quoten dramatisch gefallen: Wer heute noch darauf wetten will, dass die Kentucky Wildcats auch durch den Rest der Spielzeit marschieren, und gerade mal 100 Dollar hinzugewinnen möchte, der muss schon 450 Dollar setzen.

Die miesen Quoten aber tun der Begeisterung der Wetter ebenso wenig Abbruch wie die Tatsache, dass es seit den Indiana Hoosiers 1976 niemand mehr geschafft hat, eine perfekte Saison mit dem Titelgewinn im K.-o.-Turnier abzuschließen. Dazu müssten die Wildcats noch neun Spiele gewinnen: zuerst drei im Turnier der Southeastern Conference (SEC), ihrer regionalen College-Liga, und anschließend sechs Begegnungen im landesweiten NCAA-Turnier, währenddessen in den USA stets die sogenannte March Madness ausbricht.

Die Favoritenrolle gefällt Wildcats-Trainer John Calipari gar nicht: „Auch im Zweiten Weltkrieg haben die meisten auf die Deutschen gesetzt.“ Selbst mit solch drastischen Vergleichen gelingt es dem Coach kaum, die Euphorie in Lexington zu bremsen. In diesem Ort liegen der Campus der University of Kentucky und die bis zu 25.000 Zuschauer fassende Arena. Acht Nationale Meisterschaften konnten sie in Lexington, der selbst ernannten „Weltpferdehauptstadt“, bereits feiern, den vorerst letzten 2012. Nur die UCLA Bruins mit elf waren noch besser.

Den vorerst letzten Erfolg im Jahre 2015 – ein 67:50 gegen die Florida Gators – feierte man in der Rupp-Arena mit ausdauernden Standing Ovations. Nach dem Sieg schlüpften die Spieler in T-Shirts, auf denen gedruckt stand: „31-0 Not Done“. Eine Erinnerung, dass das hochgelobte Team eigentlich noch nichts erreicht hat, auch wenn sogar die Gegner ganz begeistert sind: „Was sie geschafft haben“, sagte Florida-Coach Billy Donovan, „könnte eine sehr lange Zeit nicht mehr passieren.“

Der Erfolg liegt in einer mittlerweile seltenen Kombination begründet: Die Wildcats sind eine Ansammlung von großen Talenten, die aber trotzdem selbstlosen Team-Basketball spielen. Calipari rekrutiert schon seit Jahren systematisch Spieler, die so gut sind, dass sie meist nur jenes eine Jahr am College absolvieren, das Pflicht ist, bevor sie Profi in der NBA werden dürfen. Von der Meistermannschaft 2012 wurde die Rekordzahl von sechs Spielern von NBA-Teams im Draft ausgewählt, darunter Anthony Davis, der sich bei den New Orleans Pelicans zum besten Center der Liga entwickelt hat – aber auch ein Darius Miller, der sich in der NBA nicht durchsetzen konnte und Ende Februar vom deutschen Bundesligisten Bamberg verpflichtet wurde.

Auch das aktuelle Team wird wohl nach der Saison auseinanderfallen. Zehn Spieler aus dem Kader werden unter den Top 100 der Talente für den nächsten NBA-Draft im Sommer geführt, fünf sogar unter den besten 30. Keiner der hoch gehandelten Jungspunde erzielt im Schnitt mehr als elf Punkte, stattdessen preisen alle unisono den einmaligen Zusammenhalt. „Diese Kids haben nicht nur alle Spiele gewonnen, sondern vor allem haben sie ihren Erfolg gemeinsam erreicht“, lobt ihr Trainer, „in dieser Gesellschaft geht es sonst immer nur um eins: ich, ich, ich. In dieser Mannschaft geht es um: uns, uns, uns.“ Keine gute Botschaft für die Buchmacher in Las Vegas. THOMAS WINKLER