ALBERT KRÖLLS, GRUNDGESETZ-KRITIKER : Ein letzter Ketzer
■ hat pünktlich zu dessen 60. Geburtstag eine Polemik gegen das Grundgesetz geschrieben
Foto: VSA-Verlag
Es wird nächste Woche sechzig, genauso alt wie Albert Krölls selber. Horst Köhler wird seinen besten Anzug anziehen, und Franz-Josef Wagner wird in der Bild-Zeitung gratulieren, und alle werden sich besonders freuen, denn alle mögen es, das Grundgesetz.
Albert Krölls nicht. Er hat sogar ein Buch geschrieben, pünktlich letzte Woche ist es erschienen, um der Nation zu erklären, warum sie sich dem Aufruf, ihre „Verfassung zu feiern und sich der Freiheiten zu erfreuen, welche die staatliche Ordnung darin so großzügig gewährt“, besser verweigern sollte.
Man muss gar nicht böswillig sein, um den Juristen, der seit 1987 als Professor an der Evangelischen Hochschule Hamburg lehrt, als „Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ zu bezeichnen.
Der Untertitel seiner letzte Woche erschienenen „Streitschrift gegen den Verfassungspatriotismus“ lautet: „Die Bürde des Menschen ist unantastbar“, und das Ziel der argumentativen Reise ist damit auch schon gesteckt: Krölls will all jene aufklären, die Sozialstaatsabbau, Vermögenskonzentration oder die Asylrechtspraxis „als Verstoß gegen Buchstaben und Geist der Verfassung“ ansehen. Deren „patriotisch-affirmative“ Verfehlung bestehe nämlich darin, „die staatliche Grundordnung von der Verantwortlichkeit für alle sozialen Missstände freizusprechen, die auf ihrem Boden existieren“. Und dazu sieht Krölls keinen Anlass.
Das geht schon bei der allüberall gelobten Garantie der „Menschenwürde“ los. Die taugt nämlich nichts, findet Krölls, denn sie sei „kein Einspruchstitel gegen soziale Not“. Eigentum verpflichtet seiner Diagnose zufolge höchstens dazu, es zu vermehren. Der Sozialstaat sei die „politische Organisationsform dauerhafter sozialer Armut“.
Krölls lässt kaum ein gutes Haar am Grundgesetz und wundert sich über die „tiefe Dankbarkeit gegenüber dem hoheitlichen Lizenzgeber, die jede Frage nach dem Nutzen der Freiheiten verbietet.“ Solch marxistische Ketzerei wird im Wissenschaftsbetrieb inzwischen üblicherweise mit Boykott geahndet. Krölls ist ein Exemplar einer bedrohten Spezies. CJA