AIDS-BOMBE: KRIEGSFÜHRUNG MIT BEDROHUNGSMYTHEN : Neue P-Waffen für die Logik des Grauens
Neben A-, B- und C-Waffen werden jetzt anscheinend auch P-Waffen eingesetzt. Ihre Wirkung ist hauptsächlich psychologischer Art. P kann auch speziell für Panik stehen. Denn der teuflisch anmutende Plan palästinensischer Extremisten, bei einem Selbstmordanschlag in einem israelischen Vergnügungspark eine „Aids-Bombe“ zu zünden – wie Israels Geheimdienst erfahren haben will –, ist aus wissenschaftlicher Sicht glücklicherweise nicht praxistauglich. Er ist allenfalls dazu geeignet, neue Ängste zu schüren und die „gefühlte“ Bedrohung durch die Terroristen noch zu steigern. Er erinnert an die kindliche Fantasie, etwas besonders Furchtbares anzustellen, gemäß der zynischen Rechnung: Bombe ist schlimm, Aids ist schlimm, beides zusammen ist ganz, ganz schlimm.
Dabei ist das HI-Virus im Vergleich zu anderen Viren sehr labil und wird außerdem nicht auf aerosolem Wege, das heißt durch Schwebstoffe in der Luft, übertragen. Wenn sie sich nicht in Blut, anderen Körperflüssigkeiten oder speziellen Nährmedien befinden, sterben HI-Viren sehr schnell ab. Zudem entstehen bei einer Explosion hohe Temperaturen, die dem Virus ebenfalls nicht zuträglich sind. Selbst wenn infizierte Bombensplitter jemanden verletzen sollten, halten Experten das Restrisiko einer Ansteckung für sehr gering.
Trotzdem ist das mythische Potenzial einer „Aids-Bombe“ nicht zu unterschätzen. Auch in vermeintlich aufgeklärten Gesellschaften glauben ja immer noch viele Menschen, man könne sich durch Küssen, im Schwimmbad oder beim Trinken aus demselben Glas infizieren. Allein mit der tödlichen Seuche zu drohen, kann zu einer weiteren Radikalisierung des Nahostkonfliktes führen. Es passt zu der zynischen Logik des Grauens, dass palästinensische Extremisten jüngst Racheanschläge „ohne Tabu“ angekündigt haben. Es zeigt aber auch, dass sich die Hintermänner des Schreckens zunehmend Gedanken machen, wie biologische Waffen auch psychologisch eingesetzt werden können. WERNER BARTENS
Der Autor ist Redakteur der Badischen Zeitung. In diesen Tagen erscheint sein „Lexikon der Medizinirrtümer“ (Eichborn).