AFRIKA AFRIKA : Das Paradox der Leoparden
FRANÇOIS MISSER
Die Demokratische Republik Kongo ist eine große afrikanische Fußballnation. Sie hat sich zwar nie mehr für die WM qualifiziert, seit die „Leoparden“ des damaligen Zaire 1974 in Deutschland mitspielten. Aber 2009 holte die Demokratische Republik Kongo den für in Afrika spielende afrikanische Fußballer reservierten Afrika-Cup CHAN, und im gleichen Jahr gewannen die „Raben“ des kongolesischen Spitzenvereins Tout-Puissant Mazembe aus der Bergbaumetropole Lubumbashi die afrikanische Champions League im Finale gegen Heartlands aus Nigeria.
In gewisser Weise ist der Kongo für Afrikas Fußball das, was England in Europa ist: Die eigenen Vereine eilen von Sieg zu Sieg, aber in internationalen Turnieren reiht sich eine Enttäuschung an die nächste.
Das ist umso unverständlicher, als die besten Spieler des Kongo im Ausland spielen und nicht in der Heimat. Claude Makelele, die Brüder Mbo und Emile Mpenza, Vincent Kompany – die Liste der kongolesischen Stars in Europa ist lang. Aber wenn sie für die „Leoparden“ spielen sollen, sehen sie alle matt aus.
Dieses kongolesische Paradox erklärt sich daraus, dass ein einheimischer Spitzenverein wie Mazembe viel Geld hat. Seine Spieler werden regelmäßig bezahlt, und Vereinspräsident Moise Katumbi, schwerreicher Gouverneur von Kongos reichster Provinz Katanga, tut alles für „seine“ Mannschaft. Die Spitzenduelle im kongolesischen Fußball sind auch Prestigekämpfe ihrer Gönner, die damit unterstreichen wollen, dass sie etwas für das Volk tun.
Der einstige Diktator Mobutu unterstützte Kinshasas „Vita Club“ – „vita“ heißt „Schlacht“ in der lokalen Sprache Kikongo – der 1972 prompt die afrikanische Champions League gewann. In jüngeren Kriegszeiten übernahm die Gönnerrolle für den V-Club General Gabriel Amisi, besser bekannt als Tango Fort und einer der Militärführer der Rebellen Ostkongo. Er erkaufte sich durch sein Sponsoring eine Beliebtheit, die seine Rebellenbewegung nie hatte.
Aber die kongolesische Nationalmannschaft, die „Leoparden“, haben solche Gönner nicht. Sie sind politische Spielbälle, aber sie nützen nichts im innenpolitischen Streit. Unter der Mobutu-Diktatur galt die strikte Anweisung, ausschließlich Spieler aus den eigenen Vereinen zu rekrutieren, keine „Legionäre“ aus dem Ausland. Gehälter gibt es seit Mobutus Sturz nur sporadisch, politische Einmischungen in Trainerentscheidungen sind normal.
Beim Afrika-Cup von 2004 in Tunesien schied Kongo schon in der ersten Runde aus, dank vor allem einer Niederlage gegen die „Amavubi“ (Wespen) aus Ruanda. Damals machten die Kongolesen mildernde Umstände für ihr fürchterliches Spiel geltend: Sie waren sich nicht sicher, ob sie hinterher bezahlt werden, hieß es. Der Sportminister der damals noch ganz frischen Allparteienregierung, die den Kongo zum Frieden führen sollte, beschloss, das Geld persönlich vorbeizubringen. Er wurde am Flughafen von Kinshasa an der Abreise gehindert: Das Lager des Präsidenten Joseph Kabila wollte nicht, dass ein Minister aus der rivalisierenden Partei des Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba den Applaus dafür einheimst, die Fußballer bezahlt zu haben. So bekamen sie ihr Geld nicht, und sie verloren.