: A-Capella-Potpourri zum Mitsingen
■ Flying Pickets begeisterten im Modernes ein fachkundiges Publikum
Man muß nicht Kirchenmusiker sein, um A-Capella zu singen. Die „Comedian Harmonists“ taten es im Salon der 20er Jahre, und auch in der Geschichte der britischen Arbeiterbewegung gab es eine anspruchsvolle Gesangskultur von sogenannten „fliegenden Streikposten“.
Mit diesen Streikposten haben die Flying Pickets heute lediglich ihren Namen gemein. Denn die fünf Sänger der britischen A-Capella-Band sind wohl eher Botschafter der Harmonielehre als kämpferische Proletarier. Mit ausgetüftelten Cover-Versionen bekannter Pop-Songs landeten sie in den 80er Jahren ganz weit oben in den Charts. Doch was sich gut verkauft, muß ja nicht gleich billig sein.
Seit den 80er Jahren wurde die Besetzung der Flying Pickets durch Wechsel verjüngt. Ihre Show am Mittwoch abend im „Modernes“ bestand also nicht aus steifbeinigem Rumgestehe, sondern wurde durch lacklederne Hüftschwünge unterhaltsam aufgepeppt.
Zwar kommt das Repertoire der Flying Pickets wie ein Potpourri durch das Musikschaffen des 20. Jahrhunderts daher. Aber was Michael Jackson, Cindy Lauper und Sting einst ernst gemeint haben, geriet zur Persiflage. „Mamas & Papas“, „Crosby, Stills, Nash & Young“ wurden locker an die Wand gesungen. Und ein fröhlich radebrechendes „Veronika, der Lenz ist da!“ ließ das Bremer Schietwetter vergessen.
Das Auditorium im ausverkauften „Modernes“ war zu Recht begeistert und wurde bei „Working in a Coalmine“ erstmals von den Stühlen gerissen. Zum Glück blieb es nicht nur beim Mitklatschen. Erstaunlich waren die Einlagen des Publikums, das den „Buffalo Soldier“ bis zur zweiten Zugabe einfach weiter trällerte. Auch um beim Radio-Hit „Only You“ feuchte Augen zu bekommen, mußten die Fans ihn schon selber ansingen.
Einzig deplaziert schien ein Fernsehteam, das dem Publikum im Foyer mit der trendigen Frage auflauerte, ob die Flying Pickets eine sogenannte „Boygroup“ seien. Dieser Vergleich mit dem Boom der Zahnspangenidole scheint unanständig gegenüber Künstlern, die wirklich singen können. So erklärte sich das einzige Rudel Teenager im Publikum auch lautstark unzufrieden. Der Grund war allerdings die zahlreiche Anwesenheit ihrer Lehrer. Helene Hecke
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