3.000 ANSCHLÄGE AUF DIE KOALITION (6): BEATRICE CLAUS über die Weservertiefung und die deutschen Seehäfen : Kooperation statt Konkurrenz
■ 52, ist Diplombiologin und seit 1996 beim World Wide Fund For Nature (WWF) Referentin für Wattenmeer, Ästuare und Flusspolitik. Sie ist stellvertretendes Mitglied im Hafenbeirat zur Umsetzung des nationalen Hafenkonzepts für die Umweltverbände.
Im Jahr 2000 gingen Hamburg, Bremen und Niedersachsen für den Bau des gemeinsamen Tiefwasserhafens Jade-Weser-Port (JWP) einen wichtigen Schritt: Sie unterschrieben einen Kooperationsvertrag und verkündeten das Ende der Hafenkonkurrenz. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete das als „historisch“ und als „Ende einer jahrhundertealten Fehde“. Doch 2002 stieg Hamburg wieder aus und beantragte die Elbvertiefung und Bremen, Mitbetreiber des JWP, die Vertiefung der Außenweser.
Schwerwiegende Auswirkungen wie die Versalzung von Süßwasserlebensräumen, die Verlandung von Gewässerbereichen und die Verstärkung der Folgen des Klimawandels auf den Hochwasserschutz sind die Konsequenzen solcher Vertiefungen.
Bis heute wurden 1,2 Milliarden Euro an Steuergeldern in einen Tiefwasserhafen und die Anbindung an das Verkehrsnetz investiert. Weitere rund 125 Millionen Euro für die Außenweservertiefung und 600 Millionen für Ausbau und Vertiefung der Elbmündung sollen zur Verfügung gestellt werden. Anstatt den Hafenstandort Deutschland im Wettbewerb mit Häfen wie Rotterdam und Antwerpen zu stärken und Vorteile und Schwächen in einem zukunftsfähigen Konzept zu bündeln, führt die Schaffung von drei Tiefwasserhäfen zur Verschärfung der innerdeutschen Konkurrenz.
Zudem sind die Planungen durch die aktuelle Schiffsgrößenentwicklung längst überholt. Während Elbe und Weser für Schiffe ausgebaut werden sollen, die 8.000 Container transportieren können, werden heute Schiffe für den Transport von 22.000 Container gebaut. Diese Riesen können problemlos den JWP anlaufen, die Flussmündungen aber nicht mehr wirtschaftlich und ökologisch an diese Dimension angepasst werden.
Auf dieselben Tiefgangsrestriktionen und Folgekosten für Anpassungsmaßnahmen stoßen auch Antwerpen und Le Havre. Vom Einsatz der großen Schiffe profitieren wenige Reedereien, während die Kosten Steuerzahler und Hafenbetreiber tragen müssen. Um sich nicht mehr von den Reedereien erpressen zu lassen, sollten die Häfen aus der Vertiefungsspirale aussteigen. Bremen und Niedersachsen haben mit dem JWP eine Antwort auf die Schiffsgrößenentwicklung gegeben und besitzen Standortvorteile gegenüber Rotterdam für die Weiterleitung von Gütern nach Osteuropa.
Die Nachwahlrangeleien haben die Programme verflüssigt: Es tauchen Pläne auf, Ideen werden konkretisiert und Vorhaben benannt, von denen vor dem 10. Mai noch gar nicht so recht die Rede war. So wollen die designierten Koalitionspartner ihre Profile schärfen infolge ihrer Stimmverluste. Die Gastkommentar-Serie der taz hilft Grünen und SPD dabei: Hier bündeln AkteurInnen der Zivilgesellschaft ihre Forderungen an die neue Regierung in Texten von je 3.000 Anschlägen.
■ Heute: Die WWF-Referentin Beatrice Claus.
Der JWP ist nicht ausgelastet und die Flussvertiefungen können aufgrund der laufenden Gerichtsverfahren bisher nicht umgesetzt werden. Die Bremer Koalitionsparteien sollten das als Chance begreifen für die Abkehr von der innerdeutschen Hafenkonkurrenz hin zu einer Kooperation der drei deutschen Seehäfen. Voraussetzung dafür ist der Verzicht auf die Weservertiefung und die Einleitung von Schritten zu einer tiefgangsabhängigen Arbeitsteilung mit Hamburg und dem JWP. Bremen würde dabei auch vom Bund unterstützt werden.