30 Jahre taz Genossenschaft : Sind die wilden Jahre vorbei?
taz Redakteurin und Vorständin Anne Fromm wünscht der taz Genossenschaft alles Gute zum Jubiläum!
VON ANNE FROMM
Liebe Genossinen und Genossen,
die taz Genossenschaft wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Ich bin 36, sechs Jahre älter also als die Genossenschaft. Verzeihen Sie mir, liebe Genossinnen und Genossen, dass ich hier kurz von mir berichte, aber: Die 30, das ist eben ne Hausnummer. Klar, jedes Jubiläum hat seinen Reiz, aber die 30, das war zumindest für mich ein Einschnitt. Als ich 30 wurde, war ich dabei, eine Familie zu gründen, hatte meine erste eigene Wohnung, den ersten festen Job, eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Erwachsen eben. Aber lässt sich das auf eine Genossenschaft übertragen?
Die taz Genossenschaft hat wilde Jahre hinter sich. Als sie gegründet wurde, klang das für viele nach einer durchgeknallten Idee. Eine Zeitung als Genossenschaft? Das gab es damals nicht. Die Redaktion hat sich darüber gespalten, viele wollten diese kleine Zeitung lieber an einen großen Verlag verkaufen. Sie glaubten, da seien sie sicher. Ich bin mir sicher: Es würde die taz nicht mehr geben, hätte sie sich damals an einen Verleger verkauft. Die Idee der Genossenschaft war gewagt, aber sie war die richtige.
Die ersten Jahre waren turbulent. Es brauchte Rettungskampagnen, juristisches Geschick und beharrliche Überzeugungskraft, vor allem von denen, die die Genossenschaft aufgebaut und gepflegt haben.
Aber sie und wir haben es geschafft. Zu unserem 30. Geburtstag stehen wir so stabil da wie vielleicht noch nie. Mehr als 22.000 Genoss*innen tragen unsere Zeitung und ermöglichen uns, wirklich freien, linken Journalismus zu machen. Wir gehören nur ihnen und uns und keinem Verleger, der versuchen könnte, seine geschäftlichen Interessen in unserer Zeitung unterzumischen.
Die taz ist längst nicht mehr die einzige Mediengenossenschaft. In Deutschland, in der Schweiz, in Großbritannien und Osteuropa sind mittlerweile mehrere Medien als Genossenschaften organisiert. Die taz hat also Kinder bekommen, zumindest im Geiste. Das ist toll! Wir sehen diese Projekte nicht als Konkurrenz, sondern als Beleg dafür, dass sich gute Ideen durchsetzen.
Das zeigt uns auch der aktuelle Koalitionsvertrag. Darin hat die Ampel-Regierung vor einem Jahr festgeschrieben, dass sie gemeinnützigen Journalismus ermöglichen will. Gemeinnütziger Journalismus könnte die dritte Säule im deutschen Mediensystem werden, neben dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und den privaten Verlagen. Wir als taz sind mit unserer Genossenschaft längst eine Alternative zu diesen beiden. Daher kämpfen wir mit anderen dafür, dass aus dem Versprechen im Koalitionsvertrag bald ein Gesetz wird. Es würde uns helfen, den digitalen Wandel zu meistern. Denn klar ist auch: Nur weil mit 30 die wildesten Jahre vielleicht vorbei sind, heißt das nicht, dass wir uns als Genossenschaft jetzt zurücklehnen und entspannen können.
In diesem Sinne: Happy Birthday, liebe Genossenschaft. Bleib so, wie du bist!