2.844 Infektionen in Deutschland: Sonne, Strand und Schweinegrippe
In Deutschland wächst die Zahl der Infizierten, weil Urlauber den Virus von dicht gepackten Stränden und Diskotheken in die Heimat tragen. Experten kritisieren den Wettlauf um die raren Impfstoffe.
BERLIN ap/afp/dpa/taz | Die Zahl der Fälle von Schweinegrippe in Deutschland steigt weiter. Innerhalb eines Tags seien 389 Neuerkrankungen hinzugekommen, berichtete der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Jörg Hacker am Freitag in Berlin. Damit seien derzeit 2.844 Fälle offiziell registriert. Am Vortag war die Zahl binnen 24 Stunden um 637 hochgeschnellt.
"Wir sehen das mit einer gewissen Sorge, ohne in Panik zu verfallen", sagte der RKI-Präsident im "ZDF-Morgenmagazin". Rund 80 Prozent der Krankheiten kämen mit Urlaubsrückkehrern nach Deutschland. Er wolle aber keine Reisewarnungen für bestimmte Länder aussprechen. Wenn möglich, sollte man große Menschenmengen meiden.
In den vergangenen Tagen meldeten die Behörden sehr viele Erkrankungen von Rückkehrern aus Spanien. Experten sehen dies vor allem im Verhalten jüngerer Urlauber beispielsweise auf Mallorca begründet - wie etwa der gemeinsamen Nutzung von Trinkgefäßen, intimen Urlaubsflirts sowie dicht gedrängtem Feiern und Sonnen.
"Generell gilt: Viele Menschen auf engem Raum sind immer eine Möglichkeit, sich anzustecken", sagte Hacker. Prof. Dieter Häussinger von der Düsseldorfer Universitätsklinik hatte zuvor darauf hingewiesen, dass Sonnenbrand und Alkohol die Immunabwehr schwächen.
Den Reisenden sei dringend zu raten, ihr Verhalten anzupassen - öfter Hände zu waschen, allzu engen Kontakt mit anderen zu vermeiden und natürlich niemanden anzuniesen, erläuterte RKI-Präsident Hacker. Ein sehr wichtiger Punkt sei auch, sich rasch freiwillig zurückzuziehen und einen Arzt aufzusuchen, wenn man bei sich selbst Symptome bemerke, betonte der RKI-Präsident. Nur so sei es möglich, die Erkrankungswelle einzudämmen.
Eine Gefahr für Großveranstaltungen in Deutschland bestehe derzeit nicht, betonte hingegen Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder. Mit einem ersten Impfstoff gegen Schweinegrippe rechnet er erst für Ende September oder Anfang Oktober. Deutschland deckt mit seiner Bestellung rund 30 Prozent der Bürger ab. Nach dem Pandemieplan sollen Schröder zufolge zunächst die "Funktionsgruppen im Gesundheitswesen" und danach Risikopatienten geimpft werden.
"Aber wir werden am Ende in der Lage sein, alle bei uns lebenden Menschen zweimal durchzuimpfen", sagte Schröder. Für den Notfall haben Bund und Länder derzeit für rund 30 Prozent der Bevölkerung Vorräte an antiviralen Mitteln wie Tamiflu angelegt.
Der Präsident der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten, Peter Wutzler, kritisierte im Gespräch mit AFP den internationalen Wettlauf im Rennen um Impfstoffvorräte gegen die Schweinegrippe. Dieser Wettlauf sei "sehr ungünstig" und im Kampf gegen die Grippe nicht hilfreich. Die Pharmakonzerne könnten ohnehin "nicht die ganze Welt versorgen, dazu gibt es nicht die Kapazität".
Der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge sind inzwischen 160 der 193 WHO-Mitgliedstaaten von dem Virus H1N1 betroffen. Fast 800 Menschen seien weltweit daran gestorben.
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