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100. Geburtstag von Manoel de OliveiraDer alte Mann und der Film

Er ist der bekannteste Regisseur Portugals und mit seinen hundert Jahren der älteste, der noch immer Filme dreht: Am Donnerstag feiert Manoel de Oliveira Geburtstag.

Bewahrt auch im Alter die Haltung: Der Regisseur Manoel de Oliveira. Bild: reuters

Die Ehrungen, die Manoel de Oliveira aus Anlass seines hundertsten Geburtstags in diesem Jahr erhalten hat, sind für den Doyen des portugiesischen Films alles andere als ein Abschied. Bei der Verleihung der Goldenen Palme der Filmfestspiele in Cannes zeigte sich der schlanke alte Herr agil wie ein guter Tänzer und ließ verkünden, dass er zwei neue Filme in Arbeit hat. Manoel de Oliveira ist der älteste aktive Filmemacher der Welt überhaupt.

In Porto im Norden von Portugal, wo er am 11. Dezember 1908 noch in der Stummfilmära geboren wurde und bis heute fest verwurzelt ist, waren die Ambitionen des jungen Oliveira in den Zwanzigerjahren nichts Ungewöhnliches, denn es gab dort ein Filmstudio, Schauspielschulen und gute Kinos. Dennoch konnte er vier Jahrzehnte lang nur eine Handvoll eigenwilliger Dokumentarfilme und zwei Spielfilme realisieren - Cineasten hatten es unter Antonio Salazars achtundvierzig Jahre währender Diktatur schwer.

Blutjung drehte Oliveira den ersten Film, "Douro - Faina fluvial", ein an Walter Ruttmanns "Berlin - Symphonie einer Großstadt" geschultes Porto-Porträt, das die harte Arbeit der Menschen am Fluss Douro in den Mittelpunkt rückte. 1942 folgte "Aniki-Bóbó", eine Dreiecksgeschichte unter Kindern. Erst 1963 konnte er "Acto da Primavera" über ein bäuerliches Passionsspiel drehen und dabei die voyeuristische Perspektive seines eigenen Teams und der anreisenden Touristen einfließen lassen. Im Jahr darauf entstand "A Caça" ("Die Jagd"), in dem am Rand einer ländlichen Jagdgesellschaft ein Jugendlicher in einem Sumpf versinkt, weil seine Retter lebensgefährliches Unvermögen produzieren. Portugals mächtige Zensurbehörde sah in dem sublimen Laienspiel zu Recht eine Parabel auf die gesellschaftlichen Zustände und verlangte einen positiven Schluss.

Oliveira wollte sich dem zwanghaften Unterhaltungskino des Regimes nicht unterwerfen, lieber verzichtete er aufs Filmemachen. Der Stände- und Militärstaat regierte das kleine Land mit seinen großen Kolonien auch mit Hilfe eines rigiden Geheimdienstes, in dessen Verhörzentrale Oliveira einmal einige Tage verbrachte. Der Sohn einer wohlhabenden Textilfabrikantenfamilie konnte die Nische, die Portos alte Weltoffenheit bot, zwar für kleinere Filme nutzen, doch eine Professionalisierung war unmöglich. Er fuhr Autorennen, später übernahm er die väterliche Firma. Von daher kannte er die Gemütslage der gebildeten Oberschicht, deren zynische Frustration in den Salazar-Jahren im Geschlechterkampf unter patriarchalischen Vorzeichen und im Leiden an den Normen und Ritualen einer rigide katholisch geprägten Kultur implodierte.

Erst in den Siebzigern - nicht zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit dem Kollaps des Regimes und der tief greifenden Neuorientierung des Landes durch die Nelkenrevolution 1974 - nahm Manoel de Oliveiras Filmkarriere Fahrt auf. In einem Alter, in dem sich andere Regisseure zurückziehen, fand er zu seinen Themen und seiner unverkennbaren Handschrift. Seither sind annähernd dreißig Spielfilme entstanden, dazu viele kleinere Dokumentarfilme.

Mit einer Serie stilisierter Melodramen, vorwiegend Adaptionen portugiesischer Romane oder Dramen, wurde er zu einer festen Größe des europäischen Autorenkinos. Sie haben sprechende Titel wie "O Passado e o Presente" ("Vergangenheit und Gegenwart"), "Benilde ou a Virgem-Mãe" ("Benilde, die jungfräuliche Mutter") und "Amor de Perdição" ("Das Verhängnis der Liebe"). Diese "Tetralogie gescheiterter Liebe" seziert die Obsessionen herrisch gebrochener Männer und geheimnisvoll intelligenter, letztlich an ihren unerfüllbaren Liebeswünschen zu Grunde gehender Frauen.

Seine Filme sind stets um die Sprache zentriert, in langen Einstellungen sprechen die Darsteller oft frontal an die Kamera, seine Innenräume stellen eine Ikonografie der erstarrten Schönheit aus. So sind sie nie nur nostalgische Rekonstruktionen einer untergegangenen "Portugalität", vielmehr wirken seine somnambulen Anti-Heldinnen, seine eitlen Phantom-Helden stets auch als kühle Repräsentationen der geistigen Auseinandersetzung mit überkommenen Machtverhältnissen.

Das Filmemachen ist für Oliveira eine Ergänzung älterer Künste, eine ausgefeilte Dokumentation des Schauspiels vor der Kamera. Der Gedanke, dass wir uns über Erinnerung unserer selbst bewusst sind, aber die kreative Rekonstruktion dieser Erinnerung zum Beispiel in Filmen nichts anderes als eine Illusion ist, treibt ihn ebenso um wie die Sehnsucht nach Erlösung aus diesem Dilemma.

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