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Archiv-Artikel

Zinos und die Kunst zu stolpern

BUCH Der Film „Soul Kitchen“ erzählt eine Hamburger Geschichte. Deren Vorgeschichte hat die Autorin Jasmin Ramadan aufgeschrieben in dem Roman „Soul Kitchen. Der Geschichte erster Teil“

Wenn Zinos’ Dahingestolpere langweilig wird, meldet sich das Leben

Manche Geschichten machen Karriere, und man weiß nicht recht, warum. Die Geschichte, die Fatih Akins aktueller Film „Soul Kitchen“ erzählt, ist so eine. Es geht um den Deutschgriechen Zinos, der in Hamburg-Wilhelmsburg das Restaurant „Soul Kitchen“ betreibt und in schneller Abfolge mit immer neuen, immer unerfreulichen Entwicklungen umgehen muss. Seine Freundin will als Auslandskorrespondentin nach Shanghai. Sein Bruder kommt aus dem Knast und will einen Job im „Soul Kitchen“. Sein Rücken renkt sich bei einem Spülmaschinen-Transport aus und verursacht Dauerschmerz. Ein Immobilien-Hai will das „Soul Kitchen“ kaufen. Und so weiter.

Der Film ist eine überdrehte Komödie mit Hamburger Lokalkolorit und hat einen Medienhype ausgelöst: Regisseur Fatih Akin und seine Schauspieler müssen allein mit der Anzahl an Interviews, die zum Filmstart erschienen sind, Rekorde gebrochen haben. Und dann gab es noch diesen Rechtsstreit vor Gericht, der Berichte nach sich zog. Dabei ging es um einen Vorwurf des Braunschweiger Autors Alexander Wallasch, der Akin bezichtigt hatte, Ideen für das Drehbuch aus einem Wallasch-Roman geklaut zu haben. Laut Gericht darf Wallasch das nicht mehr behaupten.

Konfliktfrei ist dagegen ein Roman der Hamburger Autorin Jasmin Ramadan erschienen, der als „Buch vor dem Film“ erzählt, was dem Helden Zinos alles passiert ist, bevor die Filmhandlung einsetzt. Es ist „der Geschichte erster Teil“, den Ramadan schrieb, nachdem sie von Fatih Akin das Drehbuch zu „Soul Kitchen“ bekam. Jasmin Ramadan, 35, und Fatih Akin, 36, kennen sich seit Jugendzeiten. Das Buch heißt wie der Film und ist auch gleich als Hörbuch erschienen: Gelesen von dem Hamburger Schauspieler Philipp Baltus, der im Film einen Gastauftritt hat.

Jasmin Ramadan hat nach der Lektüre des Drehbuchs schnell verstanden, dass die Film-Geschichte in ihrer episodenhaften Verworrenheit keine Geschichte ist, sondern eine Hommage an den Charakter Zinos. Dementsprechend geht es in dem Buch nur noch um Zinos und Ramadan erzählt schlicht chronologisch, was ihm so alles passiert ist in seinem Leben, wie er sich durch die Schulzeit quält, wie er ohne eine Idee vom eigenen Leben anfängt, zum Geldverdienen in einem billigen Restaurant zu arbeiten, wie er sich verliebt und wie er dabei verarscht wird.

Zinos verliert seinen Job und findet einen neuen in der Küche eines Kiez-Bordells, er macht eine Ausbildung zum Koch und verbaselt die Abschlussprüfung wegen einer Frau. Dann geht er auf ein Kreuzfahrtschiff, landet auf einer Insel in der Karibik, hat metaphysische Begegnungen im Stil des Magischen Realismus und wird in einen Doppelmord verwickelt, was ihn zurücktreibt nach Hamburg – wo er das „Soul Kitchen“ eröffnet. Ende des Buches, Beginn des Films.

Was Ramadan an Zinos besonders mag, das ist sein Stolpern. Zinos ist einer, mit dem das Leben etwas macht, nicht umgekehrt. Er hat keine Allüren, zieht keine Show ab, ist auf eine charmante Art naiv und steht auf die Musik von Prince. Es gibt nur zwei Dinge, die ihm wichtig sind. Erstens: eine Frau zu finden, die zu ihm passt. Zweitens: finanziell über die Runden zu kommen. Ansonsten ist Zinos zufrieden, wenn er ein paar Freunde um sich hat, ein bisschen feiern kann und in Ruhe gelassen wird.

Zinos ist ein harmloser Sympath, er würde aus eigener Kraft nie einen Roman und auch keinen Film tragen. Also müssen die Einwirkungen aus der Umwelt stark gemacht werden. Und damit bekommt Hamburg seinen Auftritt: Bordelle! Reiche Töchter aus Harvestehude! Drogen! Und später, als Zinos nicht mehr in Hamburg, sondern in der Karibik ist: Magie. Planvolle Moskitos! Ein Hotel, in dem es nicht mit rechten Dingen zugeht!

Das alles klingt lächerlich und ist so überdreht wie der Film, aber was Jasmin Ramadan durchaus schafft, ist eine Balance herzustellen zwischen dem schwachen Helden und der starken Umwelt. Wenn Zinos’ Dahingestolpere langweilig wird, meldet sich das Leben und wenn das Leben übertreibt, legt Zinos eine Prince-Scheibe auf. Das macht „Soul Kitchen“ zu einem zuversichtlichen Buch: Das mit dem Leben läuft schon. Zumindest, wenn man ein bisschen Zinos in sich hat. KLAUS IRLER

Jasmin Ramadan: Soul Kitchen. Der Geschichte erster Teil. Das Buch ist erschienen im Blumenbar Verlag, 255 Seiten, 14,90 Euro. Das Hörbuch ist erschienen im Jumbo Verlag, 4 CDs, 19,95 Euro