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Archiv-Artikel

… die Piraten? Zappeln wie ein Fähnchen im Wind

Man kann die Vorgänge, die sich im Neuköllner Bezirksparlament abspielen, nun wirklich nicht mehr ernst nehmen. Bei jeder Sitzung darf sich dort ein Bürgermeister zu Wort melden, der in seinen Büchern üblen Rassismus wie diesen verbreitet: „Mit den Afrikanern ist noch mehr Brutalität, Drogen- und Alkoholmissbrauch eingezogen.“ Wie soll man vor einem Parlament, das so einen Politiker wählt, auch nur einen einzigen Funken Respekt haben?

Auch Jürgen Koglin macht sich Sorgen. Der SPD-Politiker ist Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung, also sozusagen der Norbert Lammert Neuköllns. Koglin verkündete über die Bild-Zeitung: „Ich nehme die Kollegen alle nicht mehr ernst – und das ist eigentlich traurig.“ Schnief.

Aber Mooooment – Koglin meint gar nicht alle Bezirksparlamentarier, sondern nur die der Piratenpartei. Die hatten nämlich, gemeinsam mit Linken und Bündnis 90/Die Grünen, zum „interkulturellen Frühlingsempfang“ geladen, und zwar in den Raum, in dem sonst das Bezirksparlament tagt. „Multikulti ist gescheitert!? Wir sehen das anders!“, hieß es in der Einladung. „Multikulti ist eine grundlegende Bedingung im Vielvölkerstaat!“

Anschließend tanzten sechs Piraten rund um das Redepult und sogar auf dem erhöhten Platz des Vorstehers einen „Harlem Shake“. Bei dieser innerhalb der Jugendkultur derzeit populären Tanzform geht es hauptsächlich darum, zu elektronischer Musik möglichst wild zu zappeln. Das Video davon stellten die Piraten ins Internet. Zusammen mit der Bemerkung, es handele sich um eine „Entweihung“ der Bezirksverordnetenversammlung. „Dabei stand der Spaß im Vordergrund“, heißt es in einer Erklärung der Piraten. Gerade im Neuköllner Parlamentssaal führe „die bauliche Gestaltung zu einer enormen Distanz des Bürgers zu seinen gewählten Volksvertretern“. Diese „humoristische Aktion ist der Versuch, diese Distanz etwas zu verringern“.

Die etablierte Politik in Person des Bezirksvorstehers ist empört. Wie können die Piraten an so einem ehrwürdigen Ort nur solch einen Quatsch veranstalten? Wie soll es jetzt noch möglich sein, in einem angemessen würdevollen Rahmen ausländerfeindliche Hetze zu verbreiten? Da hilft wohl nur eins: das entweihte Rathaus abreißen und neu bauen. SEBASTIAN HEISER Foto: dpa