… WAS MACHT EIGENTLICH ...der arme B. B.? : Den Durchblick verlieren
Bertolt Brecht hatte es mit Brillen. Zusammen mit den Attributen Mütze, Stock und Zigarre gehörte die Sehhilfe fest zur Ikonografie des schwäbischen Großdichters. Dass Brecht und Brille nicht nur eine alliterative Einheit bilden, erkennt man schon an dem vom Meister gern verwendeten Unterschriftenkürzel: einer Ligatur aus zwei kleinen „b“s, die eine Brille darzustellen scheint. Und an der Tatsache, dass „der arme B. B.“ (Brecht) am Ende seines bewegten Künstlerlebens weit über hundert Bin- und Monokel sein Eigen nannte.
Jetzt treten die Dramatikergläser eine Reise ins Ungewisse an: Auf Wunsch der Brecht-Tochter und -Nachlassverwalterin Barbara Brecht-Schall kommen sie morgen bei Sotheby’s in Amsterdam unter den Hammer – bildlich gesprochen, versteht sich.
Warum die Kneifer dran glauben müssen? Brecht-Schall, langjährige Schauspielerin am Berliner Ensemble, lebte mit ihrem Ehemann und Kollegen Ekkehard Schall bis zu dessen Tod im vergangenen Jahr in einer großen Wohnung an der Friedrichstraße. Nun bezieht sie kleinere Räume und will sich von einem Wust gesammelter Dinge trennen – darunter Vaters Kimonos, Vaters Zigarettendosen, Vaters Intendantenstuhl und eben Vaters Augengläser.
Aber auch wenn Berlin der Brecht-Brillen verlustig geht: Stilbildend waren sie – und bleiben der Stadt quasi als Marke erhalten. Zuletzt tauschte der Finanzsenator sein randloses Wichtigtuer-Gestell, Model Westerwelle, gegen eines aus Horn, das dem auf unserer Abbildung stark ähnelt. CLP FOTO: AP