… INGEBORG JUNGE-REYER? : Den letzten Grundstein legen
Es war ihre letzte Grundsteinlegung, „zumindest eine, die in der Öffentlichkeit stattfindet“, sagte sie. Ob es im Privaten auch noch eine geben wird, ließ Ingeborg Junge-Reyer offen. Auf jeden Fall hatte Berlins SPD-Stadtentwicklungssenatorin am Montag bei der Grundsteinlegung für das InterCityHotel am Hauptbahnhof ihren letzten großen Bahnhof als Politikerin. Ab jetzt ist sie Senatorin a. D.: SPD-Landeschef Michael Müller wird Klaus Wowereits neuer Verkehrs- und Bauobmann im Senat dieser Legislaturperiode.
Mal unter uns: Eigentlich hätte Junge-Reyer (65) einen tollen Abschied von der Welt der Bagger, Kräne und Betonmischmaschinen verdient. Denn wer geht, der sollte sich auch an was Schönes erinnern. Das achtstöckige Hotel, das die CA Immo nach den Entwürfen der Architekten Reichel & Stauth auf der Südseite des Hauptbahnhofs errichtet, erfüllt aber nicht unbedingt diesen Wunsch nach Schönem. Es wird einmal ein schmuckloser grauer Block mit immerhin 412 Zimmern und 8 Veranstaltungsräumen.
Zwar soll es das größte InterCityHotel in Deutschland und zugleich „Flaggschiff der Marke“ werden. Die Steigenberger Gruppe managt die Bettenburg ab dem Jahr 2013. Doch die schlichte Architektur unterscheidet sich wenig von den gesichtslosen Bauten, die bisher rund um den Hauptbahnhof entstanden sind. Quadratisch, praktisch, gut für den anspruchslosen Kunden. Ohne Seele. Es ist ein Investorenkasten mehr vor Ort. Ein gutes Bahnhofsviertel sieht definitiv anders aus!
Vielleicht ist das neue Hotel aber auch ein Symbol für die Bauten, die in Junge-Reyers Amtszeit von 2004 bis 2011 entstanden. Kann man der obersten Stadtentwicklerin schon keinen baulichen Stil nachsagen, so ist sicher, dass sie pragmatische Architekturlösungen beziehungsweise Quartiersentwicklungen nicht ablehnte. Hauptsache, die Bauwirtschaft brummt, Berlin baut auf, möglichst rasant.
Baukunst war nicht ihre Sache. Kaum im Amt, kippte sie den spektakulären Entwurf des Schweizers Peter Zumthor für die Topographie des Terrors und holte eine simplere Lösung aus der Schublade. Praktisch-nüchtern ging es am Nordbahnhof für die Bahn AG zu, auf das Media-Spree-Gelände, Alex, Heidestraße oder Europacity kommt ein Gleiches zu. Keine Frage, dass sie den Bau der umstrittenen Stadtautobahn A 100 und die Verlängerung der U 5 für ein Plus Berlins hält.
Der Name Junge-Reyer, der früher Synonym für „Quartiersmanagement“ war, stand in den letzten Jahren mehr für schlechte Nachrichten: S-Bahn-Chaos, Parkraumbewirtschaftung, Weiterentwicklung Tempelhofs, Innenstadtgestaltung à la Planwerk und zum Schluss noch die verdammten Mieten. Dass es der SPD-Senatorin nicht gelang, Verdrängung zu vermeiden und die Mieten niedrig zu halten, ist ein echter Fauxpas ihrer Karriere. Die fing mal anders an.
ROLF LAUTENSCHLÄGER
Foto: Sen. f. Stadtentwicklung