… DIE S-BAHN? : Kunden abblocken
„Det is aus Sicherheitsjründ’n so“, nuschelt der Mann hinterm Tresen. „Janz neu jemacht.“ Der Mitarbeiter des S-Bahn-Kundenbüros im Ostbahnhof, wo vergessliche Abo-Kunden und notorische Schwarzfahrer ihr „erhöhtes Beförderungsentgelt“ entrichten, meint ebendiesen: den Tresen.
Auf Panzerglas hat die Bahn-Tochter gütigerweise verzichtet. Aber die weiß lackierte Barriere zwischen Kunden und Angestellten ist monströs: geschätzt 1,50 Meter hoch und dann auch noch so breit, dass man als Mann knapp unterm deutschen Durchschnitt kaum mehr als den S-Bahner-Kopf dahinter zu Gesicht bekommt. Kleine Menschen können bequem ihr Kinn auf der Kante ablegen, Rollstuhlfahrer stehen vor einer Wand.
War da nicht was? Wurde Berlin nicht vor ein paar Wochen von der EU mit dem „Access City Award 2013“ ausgezeichnet, als Belohnung für wachsende Barrierefreiheit? „Städte wie Berlin zeigen, wie das Leben für alle leichter werden könnte“, sagte Justizkommissarin Viviane Reding bei der Preisverleihung in Brüssel. Im Umkehrschluss: Die Berliner S-Bahn zeigt, wie man das Leben vielen schwerer machen kann.
Ob diese Mischung aus Unsensibilität und Sicherheitsbedürfnis der Annahme entspringt, dass die meisten Schwarzfahrer männlich, groß und zu allem Überfluss leicht reizbar sind? Selbst wenn es so wäre – muss man dafür anderen Kunden ein Brett vor den Kopf knallen?
Jürgen Schneider, der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, ist von diesem Fall nicht sonderlich überrascht – schließlich geht es um die Deutsche Bahn. Und die ist, so Schneider, eine „eigene Welt, lokal kaum beeinflussbar“. Der ehemalige Staatsbetrieb sei zwar heute in viele Sparten zersplittert, funktioniere aber im Einzelfall immer noch nach dem Zentralismusprinzip. Die Ausstattung der Bahnhöfe etwa basiert immer auf denselben Elementen – und wenn die weniger barrierefrei sind als der örtliche Standard: tja.
Bei den Standards für Aufzüge etwa gebe es immer wieder Probleme mit der S-Bahn, berichtet Schneider. Die Berliner Verkehrsverwaltung habe vor zwei Jahrzehnten mit der BVG ein „Pflichtenheft“ entwickelt, das Normen für Beschriftung, Lautsprecheransagen und natürlich Abmessungen festlegt. Die S-Bahn habe diese Normen seinerzeit übernommen, versuche aber inzwischen, sie auf den niedrigeren Bundesstandard zurückzuschrauben.
Bei der S-Bahn war man gestern nicht in der Lage, den monströsen Tresen zu kommentieren. Der Behindertenbeauftragte hingegen will das Thema in der mit Behinderten- und Behördenvertretern paritätisch besetzten Verkehrs-AG zur Barrierefreiheit ansprechen. Vielleicht müssen die Inneneinrichter der S-Bahn ja doch noch mal zur Säge greifen. CLP Foto: Archiv