… DIE BÜRGERÄMTER? : Simsen lernen
Wer künftig in ein Bürgeramt kommt und aus einem leeren Wartesaal den Schluss zieht, er sei gleich an der Reihe, der hat sich zu früh gefreut. Ein hochmodernes System errechnet schon beim Ziehen der Nummer, wie schnell die Beamten arbeiten – und daraus, wie lange man wohl warten muss. So können die genervten Bürger raus an die frische Luft, anstatt in muffigen Amtsräumen rumzugammeln.
Steht „eine Stunde, vierzig Minuten“ auf dem Zettelchen, kann man zum Beispiel die Kinder aus der Schule holen. Zwei Stunden reichen für einen Kinofilm (ohne Überlänge). Der technische Clou: Wer länger als eine halbe Stunde warten soll, kann seine Handynummer angeben und bekommt eine Erinnerung per SMS.
17 Bürgerämter der Bezirke Lichtenberg, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg erproben bis Ende des Jahres den „Bürgerservice am Kunden“. Die Frage dabei: Wollen genügend Berliner mit dem Amt simsen? Wenn ja, könnte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Bürger und Beamten entwickeln. Über Pläne eines Facebook-Accounts der Ämter oder eines Aufrufsystems via Twitter ist noch nichts bekannt. Besonders technik-affine Bürger können sich aber jetzt schon im Internet einen Termin holen.
Aber warum gibt man rund 100.000 Euro für ein „Wartemanagementsystem“ aus? Der Bürger kann ja schlecht zum billigeren und schnelleren Bürgeramts-Discounter wechseln. Katrin Franke, Bezirksrätin aus Lichtenberg, widerspricht: „Bürgerämter stehen im Wettbewerb.“ Kunden aus anderen Bezirken könnten angelockt werden. Spätestens dann werden die Wartezeiten in allen „innovativen“ Bürgerämtern so lang sein, dass ein SMS-Service unverzichtbar ist. CTS Foto: rtr