… DIE AUTONOMEN? : Sich dem Kiez erklären
Plakate sind, in der Regel, Medien der Werbung. In der autonomen Szene ist das nicht anders. 1. Mai, Liebig-Verteidigung, Gefangenen-Soli-Demo – alles zuvor per Papier und Kleister an Fassaden bepriesen. Jetzt aber wagen die Linken Neuland: mit einem „Danke“-Plakat an die Kreuzberger Bewohnerschaft nach einer Demo. Einer Demo, die – nun ja – etwas ausgeartet war.
Rund 800 Autonome zogen am Samstag in einem nicht angemeldeten Aufzug durch Kreuzberg. In Erinnerung an einen italienischen Genossen, der vor zehn Jahren bei Anti-G-8-Protesten in Genua von Polizisten erschossen wurde. Der Habitus entsprechend feindselig: Böller und Leuchtfeuer wurden gezündet, Steine geschmissen, mit Zwillen auf Polizeiwannen geschossen. Die Polizei meldete 34 verletzte Beamte und 33 Festnahmen.
„Danke für die Solidarität“, heißt es jetzt auf weißen, schwarz gerahmten Plakaten, die entlang der Demostrecke aufgetaucht sind. Die Anwohner hätten „unserer Demo Beifall gespendet“. „Aus einigen Häusern wurden auch Gegenstände auf die Polizei geworfen und auch aus den Bars und Cafés wurde uns Hilfe zuteil (…), sogar Gefangene wurden befreit.“ Dies, so heißt es demütig, sei nicht selbstverständlich. Deshalb darf auch etwas Selbstkritik sein: „Für die Böller, die manchmal zu nah an Passanten explodiert sind, entschuldigen wir uns.“ Dann noch das Anarcho-Signet, Schluss.
Bleibt zu fragen: Ist da jemand über Sinn und Wirkung seiner Kiezrandale ins Grübeln gekommen? Haben die Kreuzberger, wie geschrieben, wirklich „erkannt, dass ein Leben ohne Polizei viel schöner sein kann“? Und was sagt die Ordnungsmacht eigentlich dazu? Wird nun demnächst zurückplakatiert mit der eigenen Version des Abends? Die Kreuzberger dürfen gespannt sein. KO Foto: Archiv