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Gedankenspiel einer taz-Neugründung (3): Ute Scheub Die Frau meiner Träume

Die Mitgründerin der taz, Ute Scheub, hält die taz zwar noch für die beste Zeitung Deutschlands. Heute würde sie aber eine taz mit konstruktiverem Journalismus gründen.

Ute Scheub gründete die taz mit Foto: privat

Aus der taz | „Die Frau meiner Träume“ nannte Fritz Teufel die taz vor ihrer Gründung 1978. Auch für mich war sie das damals. Wenn wir sie heute nochmals gründen würden, könnte sie wohl nicht anders existieren als digital. Aber mit welchem Inhalt?

Ich halte die taz nach wie vor für die beste Zeitung in Deutschland. Und dennoch macht ihr Konsum mich nicht satt. Natürlich muss über Krisen, Kriege und Katastrophen berichtet werden. Aber es fehlt die andere Seite, die ebenfalls existiert!

Gerade in Zeiten der Polykrise verspüre ich einen enormen Hunger nach Schönheit. Nach Freude. Lachen. Hoffnung. Perspektiven. Nach Geschichten des Gelingens und Geschichten der Solidarität. Damit würde ich viele Seiten zu füllen versuchen – auch wenn die Recherchen zugegebenermaßen aufwendig sind. Hier ich würde unsere kluge Leserschaft bitten, mit Hinweisen mitzuhelfen.

Ute Scheub

Mitgründerin der taz 1978/79 und ihres Ressorts Umwelt. Seit 1997 ist sie freie Journalistin und (Mit-)Autorin von insgesamt 25 Büchern. Für ihr vorletztes Buch „Aufbäumen gegen die Dürre“ bekam sie zusammen mit Stefan Schwarzer den renommierten UmweltMedienPreis der Deutschen Umwelthilfe.

Worüber ich berichten würde

Ich würde zum Beispiel eine Reportage veröffentlichen über die todesmutigen Friedensfrauen in Liberia, die zuerst mit einem Sexstreik und dann mit einer Sitzblockade rund um ein Haus voller Warlords ein Ende des 14-jährigen Bürgerkriegs erzwangen. Zugegeben, das war schon 2003 – aber damals hat keine einzige Zeitung darüber berichtet.

Ich würde die Geschichte erzählen von Rommel Arnado, einen Bürgermeister auf der philippinischen Insel Mindanao, der mit seinem Programm „Arms to Farms“ Frieden und Wohlstand schuf. Tausende von Rebellen gaben ihre Waffen im Tausch gegen eine Ausbildung in Bioanbau ab. Dadurch sank dort die Armutsrate binnen 9 Jahren von 80 auf 8 Prozent.

„Eine Tageszeitung, die sich dem kritisch-konstruktiven Journalismus verschrieben hat, wäre ein starkes Gegenmittel gegen Nachrichtenmüdigkeit“

  

Ich würde eine Serie von Videos über „Rewilding Europe“ organisieren, eine NGO, die europaweit Gewässer und Landschaften renaturiert und dadurch das ungeheure Potenzial der Natur aufzeigt, sich selbst zu heilen. Verloren geglaubte Arten kehren in atemberaubendem Tempo zurück, Wasser und CO2 wird gespeichert, Landschaften erblühen in ihrer ursprünglichen Schönheit. Allen ist gedient: Klima, Menschen, anderen Lebewesen.

Ein starkes Gegenmittel

Laut Reuters Digital News Report von 2024 versuchen heute 14 Prozent der Befragten aktiv, Nachrichten zu vermeiden, 69 Prozent tun dies gelegentlich. Kein Wunder angesichts der erdrückenden Flut von bad news.

Eine Tageszeitung, die sich dem kritisch-konstruktiven Journalismus verschrieben hat, wäre aber ein starkes Gegenmittel gegen die wachsende Nachrichtenmüdigkeit. Sie wäre die neue Frau meiner Träume. 🐾