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reisen in die zivilgesellschaft

11. - 19. Juni 2025

Belgien

  • Eupen - Lüttich - Spa - Brüssel - Ostende - Gent - Antwerpen
  • 1.690 € (DZ/HP/ohne Anreise)
  • Veranstalter: via cultus Studienreisen

Reiseleiter: Bernd Müllender (taz) und Eric Bonse (taz-EU-Korrespondent)

Belgien ist wohl das unbekannteste und meist unterschätzte Land Westeuropas. Die Klischees: gesichtslos, hässlich, chaotisch, das Absurdistan Europas, ein königliches Anarchistan. Dabei ist Belgien ein extrem abwechslungsreiches Land - voller Gegensätze, Kulturen, Kuriositäten und Kunstschätzen.

Programm

Das kleine Land (11 Millionen EinwohnerInnen) hat drei offizielle Landessprachen und reicht von den geheimnisvollen Ardennen, zauberhaften Städten wie Gent, Brügge und Lüttich zu den Weiten Flanderns, die Jacques Brel (ein Belgier, nicht Franzose) einst so hingebungsvoll besang. Die zweisprachige Landeshauptstadt Brüssel ist bekanntlich Sitz der EU.

Belgien, nichtssagend? Langweilig, schmuddelig, grau? Sicher ist Belgien das unbekannteste Land Mitteleuropas. Oder sogar ein Vorbild? „Europa muss belgisch werden, oder es wird untergehen“, sagte vor gut 20 Jahren der Brüsseler Schriftsteller Geert van Istendael. „Belgien ist wie ein kleines Modell, wie eine Märklin-Eisenbahn Europas.“

Gemeint ist das Zusammenleben vieler Kulturen, vor allem im internationalen melting pot Brüssel (Bruxelles, Brussels, Brussel), wo einerseits die europäische Diplomaten- und Lobbyistenszene den Ton angibt und andererseits Mohamed (in allen Schreibweisen) seit Jahren der häufigste Vorname männlicher Neugeborener ist.

Wir wohnen zunächst zweieinhalb Tage in Eupen, Hauptstadt der Deutschsprachigen Gemeinschaft (niemals sagen: deutsche Gemeinschaft, nie!). Dort wird uns DG-Ministerpräsident Oliver Paasch empfangen (wenn seiner Zusage nichts dazwischen kommt, sonst übernimmt sein Referent).

Der ICE-Bahnhof Lüttich-Guillemins des Architekten Santiago Calatrava

Von Eupen aus besuchen wir Lüttich mit dem phänomenalen Bahnhof des spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava und dem Stadtviertel Outremeuse, wo der Großschriftsteller Georges Simenon zuhause war. Die Führung übernehmen werden zwei Aachener Architekten, die uns die Besonderheiten belgischer Baukunst und heutiger Stadtplanung erklären.

Am nächsten Tag starten wir eine Rundreise durch das skurrile wie pittoreske Ostbelgien zwischen zwischen Aachen/Dreiländereck, Herbesthal, Val Dieu, Homburg, Voeren, Kelmis, Spa und dem Hohen Venn, dem größten Hochmoor Europas mit seinen Schauderlegenden. Dort versuchen wir uns bei einem kleinen Spaziergang nicht zu verlaufen und beschließen den Tag mit einem Abendessen in der mythenumrankten Gasthof Baraque Michel, dem einzigen Ort der Welt, der die Vornamen des ehemaligen US-Präsidentenpaares im Namen trägt.

Postkarte von 1910 mit dem eigenständigen Neutral-Moresnet (Neutral-Gebiet)

Das gesamte heutige Belgien lag jahrhundertelang zwischen allen Machtblöcken und war somit immer zwischen allen Fronten. Das gilt für Ostbelgien besonders. Hier begannen beide deutschen Überfälle in den Weltkriegen. Hier liegt auch das ehemalige Neutral-Moresnet, ein Stückchen Land von kaum 350 Hektar rund um eine lukrative Zinkmine, das nach dem Wiener Kongress 1815 als Provisorium festgelegt wurde (weil sich Preußen und die Niederlande nicht einigen konnten).

Das Provisorium prosperierte dann vielfältig und existierte satte 103 Jahre. Jahrzehntelang gab es deshalb auf dem Vaalserberg oberhalb Aachens ein Vierländereck. Wir suchen dort nach Spuren und lassen uns im heutigen Kelmis im Museum Vieille Montagne die Geschichte von Neutral-Moresnet erklären.

Gemeinde Kelmis in Ostbelgien, Schon bekannt in der Römerzeit durch sein Zinkbergwerk, wurde Kelmis nach dem Wiener Kongress zum Neutralen Gebiet von Moresnet (1815 bis 1918) - und so entstand ab 1830 mit Belgien, Deutschland und Holland ein Vierländereck. Foto: Archiv

Wir kommen auch in die flämische Enklave Voeren gleich an der niederländischen Grenze, lange Jahre eine Art belgisch-internes Frontgebiet, das per Staatsdekret 1962 nicht mehr zur Wallonie gehörte sondern plötzlich zu Flandern. Wütende Straßenkämpfe waren bis in die 90er Jahre die Folge. Bauern gingen mit Mistgabeln aufeinander los, einmal fielen sogar Schüsse. Der frankophone Bürgermeister weigerte sich über viele Jahre auch nur ein Wort in der offiziellen niederländischen Amtssprache in den Mund zu nehmen.

Anschließend werden wir fünf Tage und Nächte in Brüssel wohnen. Eric Bonse, der taz-Korrespondent, wird uns mit der europäischen Hauptstadt vertraut machen, mit den Strukturen des Lobbyismus, mit den komplexen politischen Ränkespielen. GesprächspartnerInnen, etwa Abgeordnete, sind angefragt. Unser aller Lernziel (auch das des Reiseleiters): ein bisschen besser verstehen, wie die verschachtelte EU-Welt funktioniert.

Das Atomium in Brüssel war 1958 zur Weltaustellung gebaut worden; die begehbare Konstruktion aus 9 miteinander verbundenen Kugeln verkörpert die kristalline Struktur eines Eisen-Moleküls

Doch am ersten Tag in Brüssel nehmen wir uns die Zeit, die Stadt zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erkunden. Dabei kommen wir an den wichtigsten Stellen der Stadt vorbei (vom Grand Place über das Arbeiterviertel Marollen, Oper und Börse bis zum Atomium) und lernen, wie die Verkehrswende dank des Programms „Good Move“, neuen Pop-up-Radspuren und innerstädtischem Tempo 30 in Brüssel funktioniert.

Selbstverständlich ist ein Besuch des Maison Antoine im EU-Viertel, der berühmtesten Frittenbude Belgiens, wo sich angeblich alle Abgeordnet:innen schon mal Hemd und Bluse bekleckert haben.

Von Brüssel aus machen wir drei Tagesausflüge in andere Städte, die jeweils in 45-75 Minuten Zugfahrt erreicht werden: nach Gent, nach Antwerpen und an die Küste nach Ostende sowie zu einem sehr besonderen Abendessen nach Mechelen bei Sternekoch Seppe Nobels, bei dem Geflüchtete aus Afrika und der arabischen Welt eine Ausbildung machen und mit ihm gemeinsam crossover kochen.

Gildehäuser am Großen Platz in Brüssel Foto: CC BY-SA 4.0

In Antwerpen staunen wir über den frisch renovierten Jugendstilbahnhof (verlässlich unter die Top Ten der Welt gewählt), bestaunen Original-Rubensbilder in der riesigen Kathedrale oder besuchen gleich das wiedereröffnete Rubens-Haus und lassen uns in der Seef-Brauerei die abenteuerliche Geschichte dieses besonderen Bieres erzählen.

Bei einem Kaffee in der Szenekneipe Café Zeezicht werden uns die Inhaberinnen erklären, wie es war, 2016 alle US-Produkte aus dem Sortiment zu werfen, kaum dass Trump Präsident geworden war. lt das jetzt wieder?

Alternativ sind autonome Besuche der Reiseteilnehmer:innen im jüdischen Diamantenviertel möglich, im Überseemuseum, dem Hafenviertel oder dem Museum der schönen Künste. Belgiens zweitgrößte Stadt ist zu vielfältig, um alle Highlights an einem Tag zu schaffen.

Antwerpen der 'Grote Markt' Foto: Archiv

In Ostende lassen wir uns von den Coastal Greeters, einer ehrenamtlichen Initiative von Einheimischen, in Kleingruppen die Stadt zeigen. Ostende besticht durch seine einmalig hässliche Hochhausbebauung entlang des breiten Strandes, hat ein zauberhaftes Jugendstilviertel, war Landsitz der Könige bis ins frühe 20. Jahrhundert (mit zahllosen Hinterlassenschaften wie Palast und Pferderennbahn), Fluchtort vieler vor allem jüdischer Schriftsteller und Künstler ab 1933 vor der Überfahrt nach Amerika. Und Ostende war Geburts- und Wohnort des großartigen satirischen Malers James Ensor (1860-1949), dem ein tolles Museum gewidmet ist.

Zudem pendelt an der belgischen Küste im Viertelstundentakt die kust tram, die längste Straßenbahn der Welt, 60 Kilometer von der französischen bis zur niederländischen Grenze. So ist auch ein Besuch im schicken de Haan möglich, wo auf einer Parkbank ein steinerner Albert Einstein wartet.

Gent arbeitet an der Verkehrswende: der Korenmarkt ist bereits autofrei

Die mittelalterliche Studentenstadt Gent, die in Vielem das touristisch völlig überlaufene Brügge in den Schatten stellt, nennt sich „Veggie-Hauptstadt Europas“. Hier gibt es sogar ein halbes Dutzend Frittenbuden, die in Pflanzenfett brutzeln statt im belgienweit üblichen Rindernierenfett – eine kulinarische Kulturrevolution. Wir besuchen den Genter Altar mit van Eycks Lamm Gottes, lassen uns bei einem Rundgang von einem ostbelgischen Historiker die Genter Arbeitergeschichte erklären, erkunden die seit 2017 von Autos befreite Innenstadt und essen in einem vegetarischen Bowls-Restaurant zu Abend.

Für den Rückreisetag ist vormittags Zeit für einen Besuch des Comic-Museums (mit den nationalen Helden Tim und Struppi, Lucky Luke, den Daltons und den Schlümpfen) ), eines der vielen klassischen Kunstmuseen oder des Museums für Europäische Geschichte. Oder für einen geführten Walk durch den Stadtteil Ixelles/Elsene zum Wohnhaus von Karl Marx (in Brüssel wurde das Kommunistische Manifest vollendet) und ins Afrikaviertel Matonge.

Alle Reisen werden mit öffentlichen Verkehrsmitteln gemacht (meist mit belgischen IC). Ausnahme ist die Rundreise durch Ostbelgien zu Beginn, hier steht uns ein angemieteter 20-Sitzer samt Fahrer zur Verfügung.

Reiseleiter

Bernd Müllender ist freier Journalist seit 1984 für die taz und viele andere (auch SZ, ZEIT) sowie Buchautor (u.a. 2 Belgien-Bücher sowie ein Roman zur Verkehrswende: „Die Zahl 38.185“ und ganz neu: „Ach Aachen“, Texte über eine liebenswürdige, manchmal seltsame Stadt); er lebt in Aachen.

In Kooperation mit

Eric Bonse, EU-Korrespondent der taz in Brüssel

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