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10.04.2020 , 08:13 Uhr
Zweitens bezieht er in seine im Podcast geäußerten Überlegungen immer wieder Vorabpublikationen ein, also solche, die noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben – freilich unter Vorbehalt, doch nicht ohne Hinweis darauf, wie bremsend Peer Reviews wirken. Und drittens plädiert er für Verkürzungen bei Impfzulassungen. In der Podcast-Folge 16 klingt das so:
„Und für mich, mein persönlicher Schluss ist wirklich, wenn wir das Ganze schaffen wollen, als Gesellschaft, in einer Art, dass wir wirklich nicht eine erhöhte Todesrate akzeptieren wollen in der älteren Bevölkerung, dann müssen wir wahrscheinlich regulative Dinge außer Kraft setzen, was Impfstoffe angeht und schauen, wo können wir einen Impfstoff herbeizaubern, der schon relativ weit entwickelt ist, der vielleicht auch schon mal klinisch ausprobiert wurde. Also klinisch ausprobiert wurde für dieses neue Virus noch keiner. Aber für das alte SARS-Virus wurden schon Impfstoffe ausprobiert. Da müsste man jetzt mal gucken, was gibt’s eigentlich, was liegen von damals eigentlich für Daten vor.“
Natürlich ist diese Aussage des SARS-Experten Prof. Drosten als „persönlicher Schluss“ markiert, und in einer späteren Folge rudert er hinsichtlich der Regularien wieder zurück, allerdings geht es da um einen Impfstoff, den China bald anbieten will.
Das „Vernichten“ von Prof. Streecks Zwischenergebnis (!) und das Auftrumpfen mit umfassenderer Forschung im Verbund mit gewichtigeren Akteuren kratzen jedenfalls am Bescheidenheitsimage des „einfachen Wald- und Wiesenvirologen“ Prof. Drosten. Eigentlich soll es ja um die Rettung von Menschenleben gehen, eine äußerst verdienstvolle Aufgabe für Wissenschaftler*innen. Aber es ist eben nie „nur“ das, und deshalb ist weiterhin ein kritischer Blick des Journalismus und möglichst unabhängiger Expert*innen auf das derzeitige Geschehen gefragt.
zum Beitrag10.04.2020 , 08:12 Uhr
Gutes Bauchgefühl. Ich forsche zum Alltag des Wissenschaftsbetriebes mitsamt seiner Akteure, und dieser Artikel präsentiert ihn wie unter einem Vergrößerungsglas – vor allem den Wettbewerbsaspekt. Laut dem Soziologen Pierre Bourdieu verfolgen Wissenschaftler*innen mit „der Sache“ immer auch Eigeninteressen, z.B. Erste*r, Beste*r zu sein, eine einflussreiche Position in der Wissenschaft einzunehmen etc. – Anerkennung spielt hier eine ganz große Rolle, und sie kommt von den Anderen, für die, mit denen und gegen die man arbeitet. Das sind äußerst spannungsreiche Beziehungen, die vorwiegend sachorientiert argumentativ verhandelt werden, aber mit jeder Menge Unterschwelligkeiten. Verschärft wird das Ganze dadurch, dass Forschung diesertage fast nur noch drittmittelfinanziert stattfinden kann, man wetteifert also auch (zwangsläufig) um Gelder aus Politik und Wirtschaft unter dem Gebot, „unabhängige Wissenschaft“ zu betreiben.
Das Wissenschaftssystem ist zudem stark hierarchisiert, hier ist sogar die Anzahl der Fenster in einem Büro Ausdruck von Status. Wenn Prof. Drosten als Top-Virologe und Corona-Experte Deutschlands gilt, wird er eine Pilotstudie seines Nachfolgers (in Bonn) Prof. Streeck zu „seinem“ Virus kaum so stehen lassen können: Angriff – Gegenangriff. Beide kennen die inhaltlichen Schwachstellen der Forschung des jeweils anderen und legen mehr oder weniger explizit und nonchalant den Finger in diese Wunde.
Prof. Drosten richtet seine Kritik dabei allerdings auch auf etwas, das er selbst betreibt und in seinem Podcast immer wieder bewirbt, nämlich Fast Science. Das betrifft erstens seine Tests, wie aus früheren und aktuelleren Interviews mit ihm („German virologist’s race for swine flu“, Nature 2009 / „Diagnostischer Test aus Berlin weltweit gefragt“, DLF 2020) hervorgeht.
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