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05.03.2014 , 20:17 Uhr
taz: Sind Sie selbst noch als Troll aktiv bzw. betätigen sich in der angesprochenen „Troll-Lobby“?
Glück: Als Troll bin ich seit längerer Zeit nicht mehr aktiv. Zuletzt war ich in einem anonymen Forum und habe dort einige Male ein Thema angesprochen, das dort bei einigen Meinungsführern stereotype Antworten ausgelöst hat. Für mich war interessant zu sehen, daß die unbeteiligten Forenteilnehmer nach und nach alle auf diese Ablehnung eingeschwenkt sind, ohne sich genauer mit den Beiträgen zu befassen. Für mich war das eine sehr interessante Erfahrung. Ich hatte dabei überhaupt nicht den Wunsch, als Troll irgendwelche Attacken zu reiten.
Die Leute von der Trollcon hätten mich sehr gerne als Redner eingeladen.
Ich habe das abgelehnt, weil ich nach Möglichkeit solche Auftritte vermeide und mich jetzt auch nicht so als den Troll-Papst sehen will. Für mich war die Troll-Recherche ein Projekt unter vielen, inzwischen habe ich mit anderen Themen zu tun.
taz: Gibt es denn eine Entwicklung, die Sie sich abschließend für den öffentlichen Diskurs zum Thema Trolling wünschen würden?
Glück: Ja sicher. Es hat keine gute Tradition, daß man sagt: Der da ist ein Troll oder was auch immner, also ist er schlecht. Man sollte sich immer fragen, warum dieser Mensch nun genau dies tut und jenes läßt. Aber ich selbst bin von diesen Stereotypien auch nicht frei, ich empfinde z. B. eine grundsätzliche Ablehnung gegen Charity-Ladies, Fundraiser und Pressedamen.
Alexander Glück: Handbuch für den Forentroll. St. Ingbert: Röhrig Universitätsverlag, 2013. ISBN 978-3-86110-535-0
zum Beitrag05.03.2014 , 20:13 Uhr
Glück: Nein, es gab nur ein Riesengeschrei und ich habe das dann auch wieder gelöscht. Ich konnte damit aber zeigen, daß die Plattform, auf der man sich bewegt, gar nicht so stabil und einzigartig ist, wie man denkt.
taz: Inwiefern - und das spielt wieder auf die vorherige (bewußt zweideutige) Frage an - unterscheidet sich Ihre Definition von Troll-Sein von der allgemein negativen? Und inwiefern ist Trollen, so wie Sie es jetzt auch beschrieben haben, möglicherweise unentbehrlich oder zumindest nützlich?
Glück: Meine Vorstellung vom Troll ist idealistisch und natürlich ein bisschen utopisch:
Er ist ein Verneiner und Zersetzer, also der klassische Mephisto. Durch seine Störungen werden Kommunikationsstrukturen verbessert. Seine katalysierende Arbeit macht Debatten kaputt, die nicht widerstandsfähig genug sind.
Ob das Trollen unentbehrlich ist, weiß ich nicht. Wir alle wünschen uns eine bessere Welt. Es ist nie richtig, irgendetwas geheim, täuschend, letzten Endes lügend zu machen.
Trotzdem glaube ich, daß geschickte Trolle eine sehr inspirierende Arbeit machen können. Sie hinterfragen selbsternannte Autoritäten und vor allem den deutschen Regelbefolgungswahn.
taz: Wie schätzen Sie aus Ihren eigenen Erfahrungen den Anteil solcher „idealistischer“ Trolle ein?
Glück: Den schätze ich niedrig ein, ich habe darüber aber kein statistisches Material.
Viele Trolle wollen sich einfach nur rächen, weil sie ein paar abbekommen haben. Andere versuchen dadurch das Ansehen ihrer offiziellen Identität zu verbessern. Wieder andere wollen vielleicht wirklich ärgern oder stören. Man sollte auch nicht den Faktor Langewelie unterschätzen: Man sitzt vor einem Bildschirm und kann etwas machen und dann passiert irgendwas. Das machen alle so, es gibt viele Experimente mit Affen, Katzen, Krähen.
Wesentlich ist dabei, daß man nicht die natürlichen Hemmungen hat, die der persönliche Kontakt mit sich bringt.
zum Beitrag05.03.2014 , 20:11 Uhr
taz: Und welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wenn sich Forendiskussionen sozusagen zu Troll-Gefechten entwickelt haben? - Wenn Sie sich selbst in der Rolle des Trolls empfunden haben, wie fühlten Sie sich dann?
Glück: Ich weiß nicht, ob wir jetzt dasselbe meinen. Als Bösewicht in einer Diskussion ist man noch kein Troll. Man fühlt sich nie gut, wenn die Stimmung kippt.
Als Troll (also als jemand, der eine Sache geheim einfädelt) kann man sehr viel Spaß haben, wohlgemerkt OHNE Leute böse anzugehen.
Ich habe mal bei Yahoogroups eine Osteuropa-Mailgroup komplett als Klon neu aufgespielt und die Mitglieder dort einzeln eingebucht. 300 Stück. Die Diskussion von den Leuten war für mich sehr amüsant.
taz: Das klingt interessant. Könnten Sie genauer ausführen, wie Sie dabei vorgingen und worin das Amüsante daran bestand?
Glück: Die Gruppe „xxx“ wurde intern immer nur xx-1 genannt. Dort gab es einige Stimmungsmacher, die Leute systematisch rausgedrängt haben. Deshalb gibt es heute so viele xxx-gruppen.
Die Gruppe hieß also xxx, offiziell bei Yahoo. Bei den Mitgliederbeiträgen kann man die Mailadressen sehen. Die kopiert man sich. Dann habe ich eine neue Gruppe xx-1 angemeldet, Beschreibung und alles aus der Startseite übernommen.
Man kann pro Tag 10 Leute reinkopieren. Wenn man sich mit 20 Accounts anmeldet, sind am ersten Tag 200 Leute drin und am nächsten Tag die restlichen 100. Diese Leute befinden sich dann sowohl in der Gruppe xxx als auch in der neuen Gruppe xx-1, die zudem den Heimvorteil hat, daß sie wirklich so heißt, wie die andere Gruppe von allen genannt wird.
taz: Sie haben dann in der eigens eingerichteten Gruppe sozusagen eine „imaginäre“ Diskussion geführt?
zum Beitrag05.03.2014 , 20:10 Uhr
Die Ursachen sind m. E.:
1. Trolle bieten eine Projektionsfläche für alles an, was man „den Bösen“ zuschreibt. Da regiert oft auch die Phantasie. Kaum jemand kennt einen Troll persönlich.
2. Wer sind die Gegner des Trolls? Die Admins, die Legalisten, die Regulierwütigen. Indem diese Menschen Trolle bezichtigen, können sie von ihren eigenen Unzulänglichkeiten und Sadismen ablenken.
3. Statt Aufklärung herrscht schnelle Meinung. „Troll“ wurde bewußt negativ konnotiert. Die Troll-Lobby (z. B. Trollcon Mannheim) hat es sehr schwer, gegen diese Konnotation anzuarbeiten.
taz: Was meinen Sie, wenn Sie gerade von den eigenen Sadismen der Admins sprechen?
Glück: Ich habe den Begriff Sadismus gewählt, weil ich eben nach der Studie geschaut habe -- dort geht es um Sadismus im Alltag. Wenn ich nach meinen eigenen Sadismen suche, fallen mir zuerst Auseinandersetzungen mit Ebay-Mitgliedern ein. Und dann lange nichts.
Bei meiner eigenen Trollerei in Foren ging es mir nicht darum, Menschen regelrecht zu quälen, sondern darum, sie durch „kreative Anstöße“ zu einer anderen Sichtweise anzuregen.
Administratoren sind auch nur Menschen, sie sind weder von Haus aus weise noch gütig. Sie werden auch zornig, ungerecht, eitel, arrogant oder unfair, genau wie alle anderen auch.
Ein guter Admin kann immer auch ein schlechter Troll werden -- und umgekehrt.
taz: Und Ihre eigene Trollerei, war die zu Recherchezwecken für das Buch - oder verhielt es sich genau andersherum?
Glück: Es war nicht so, daß ich gesagt habe: Ich will ein Buch schreiben, dafür muß ich jetzt erstmal trollen. Ich war einige Jahre in Foren aktiv, in vielen Rollen, auch sehr harmlosen. Wer in Foren aktiv ist, wird immer auch Streit miterleben, egal, als was er dort aktiv ist. Deshalb habe ich dann und wann auch getrollt. Ich weiß auch von anderen, daß sie verdeckt operiert haben und offiziell weiter als Saubermann firmiert haben.
zum Beitrag05.03.2014 , 20:09 Uhr
Schönen guten Abend,
da der Artikel nur ein paar Streiflichter aus meinem eine Stunde langen Interview enthält, stelle ich hier das ganze Interview (in mehreren Teilen) ein. Ich denke, daß dadurch einige meiner Ansichten etwas deutlicher werden. Über Reaktionen, egal ob kritisch oder zustimmend, per PM oder offen, freue ich mich.
Viele Grüße
Alexander Glück
taz: Ist Ihnen die aktuelle kanadische Studie von Paulhus u. a. bekannt, die Trollen bescheinigt, Menschen mit sadistischen Neigungen zu sein?
Glück: Nein. Ich würde spontan sagen, daß man das nicht verallgemeinern sollte, weil Trolle aus höchst unterschiedlichen Motiven handeln.
taz: Bevor wir vielleicht auf diese Motive zu sprechen kommen. Würden Sie sagen, daß - auch befördert durch solche plakativen Studienergebnisse - Trolle ein einseitig schlechtes Image besitzen? Wenn ja: Wie bewerten Sie das und woher kommt das?
Glück: Trolle haben auf jeden Fall ein sehr schlechtes Image. Ich habe das u. a. an den Reaktionen auf mein Buch bemerkt. Bei Golem.de hatte ich keine Chance, einen Artikel unterzubringen, in dem versucht wird, Trolle nicht ausschließlich negativ zu sehen.
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