Profil-Einstellungen
Hier könnten Ihre Kommentare stehen
Herzlich willkommen.
Auch Sie haben eine Stimme und auch die soll gehört und gelesen werden.
Hier werden alle Kommentare gesammelt, die Sie verfassen. Außerdem können Sie Kontaktmöglichkeiten hinterlegen und sich präsentieren.
Wir freuen uns, wenn Sie die taz.kommune mit Ihren klugen Gedanken bereichern.
Viel Freude beim Lesen & Schreiben.
meine Kommentare
21.01.2014 , 20:33 Uhr
Starke Worte … (Teil 1)
Starke Worte fallen, wenn es um die Nennung letzter Wohnadressen geht, die die Kritiker der Oldenburger Gedenkwand für solche in „Judenhäusern“ halten. Warum es aber eigentlich so „erniedrigend und beleidigend“ sein soll, genau das zu tun – wenn es denn wahr wäre – will sich mir aus ihren Verlautbarungen nicht recht erschließen.
Doch was waren eigentlich „Judenhäuser“? Mit diesem Begriff belegte man Massenunterkünfte – Wohnhäuser und notdürftig eingerichtete andere Gebäude meist aus jüdischem Besitz, gelegentlich auch primitive Baracken – in denen die Nationalsozialisten ihre Opfer, die man zuvor gewaltsam aus ihren Wohnungen geworfen hatte, oft in großer Enge und unter erbärmlichen Bedingungen zusammenpferchten. Ab Herbst 1941 wurden diese „Judenhäuser“, manchmal nannte man sie auch „Ghettohäuser“, zu einem Ausgangspunkt der Deportationen „nach dem Osten“. In dieser Form waren sie von 1940 bis 1943 in vielen deutschen Städten Realität und konnten von jedermann gesehen werden, der nur sehen wollte.
Auch in Oldenburg? Hier wird es schwierig und hier sollte eine Geschichtswerkstatt, die sich der Lokalgeschichte verschrieben hat, nicht in Geschichtsklitterei verfallen. Oldenburg und Ostfriesland waren ein besonderer Fall – und ein besonderer Skandal –, denn hier wurden die Juden schon lange vorher, im Frühjahr 1940, großflächig aus ihren Wohnungen und aus ihren Heimatorten vertrieben. Sie mussten, eine Emigration gelang nur noch wenigen, sich eine Bleibe irgendwo im Reich suchen. Dort gerieten viele tatsächlich, die Beispiele sind zahllos, früher oder später in die berüchtigten „Judenhäuser“ und dann in das Räderwerk der Vernichtung. Oldenburg und Ostfriesland waren aber schon so „judenfrei“, wie es sich die Nazis überall wünschten – hier konnte es das Phänomen „Judenhäuser“ in der vollständig entwickelten Form nicht mehr geben.
-> Fortsetzung Teil 2
zum Beitrag21.01.2014 , 20:31 Uhr
Starke Worte … (Teil 2)
Ist dieser Einwand haarspalterisch? Trugen nicht auch die Wohnverhältnisse der dreißiger Jahre, als sich vielerorts quasi „naturwüchsig“ jüdische Hausgemeinschaften bildeten, Zwangscharakter? Der Einwand ist berechtigt und sicherlich waren auch in Oldenburg viele Umzüge dieser Zeit begründet durch wirtschaftlichen Ausschluss, politische Verfolgung und die schiere Niedertracht der „arischen“ Umwelt. Und doch sollte man im Sinne der historischen Aufklärung – um die es ja wohl den Initiatoren der Gedenkwand wie ihren Kritikern geht – Begriffe mit gebotener Sorgfalt verwenden und nicht von „Judenhäusern“ sprechen, solang es nicht sorgfältig belegt ist. An solchen Belegen mangelt es aber, z. B. ist weder bekannt, welchen Gebrauch die Stadt Oldenburg ab Mai 1939 von den Zwangsbewirtschaftungsmitteln machte, die das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ eröffnete, noch ob, in welchem Umfang und auf welche Weise zuvor Wohnungen „wild“ geräumt worden waren.
Es gäbe also viel zu tun, auch und gerade für eine Geschichtswerkstatt, statt mit großem Aplomb und wenig Begründung pseudo-moralisch empört zu sein. Dem Ziel aufklärerischem Gedenkens wäre mehr gedient und es könnten jene Mängel gelindert werden, die der Oldenburger Gedenkwand tatsächlich anhaften: nicht in ein übergeordnetes Konzept eingebettet zu sein und keine Form gefunden zu haben für die lokale Eigenart des großen Verbrechens.
Jörg Paulsen, Nürnberg
zum Beitrag