FEBRUAR: DIE ARBEITSÄMTER HABEN IHRE VERMITTLUNGSZAHLEN GESCHÖNT : Die Ungelernten in meinem Keller
„Du musst mir helfen!“ Meine alte Freundin Nicole war am Telefon und klang verzweifelt. „Ich kann dir jetzt unmöglich die ganze Geschichte erzählen, aber unsere Vermittlungszahlen stimmen nicht. Sie stimmen aber so was von überhaupt gar nicht!“ Nicole arbeitet im Arbeitsamt, und ich verrate jetzt mal nicht, in welcher Stadt. „Was für Zahlen?“ – „Na, wir haben behauptet, dass wir viele Arbeitslose untergebracht hätten, eher sehr viele. Stimmte aber nicht.“ – „Und?“ – „Jetzt droht das alles aufzufliegen, vermutlich wird die ganze Behörde aufgelöst, und wer gibt uns dann noch einen Job?“
„Du bist verbeamtet“, antwortete ich. Interessant ist ja, dass Sicherheit eine Art bislang unerforschter Droge zu sein scheint: Wer damit einmal anfängt, braucht zunehmend mehr davon.
„Man braucht als Beamtin manchmal einfach das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun“, sprach Nicole schon weiter. Ich versuchte, ein schlechtes Gewissen heraus zu hören. Sie klang aber eher vorwurfsvoll. „Wir werden ja nicht so wie ihr ab und zu mal arbeitslos. Weißt du, wie oft wir die Leute, die zu uns kommen, insgeheim beneiden? In deren Leben passiert noch was!“ – „Na, jetzt wird in deinem Leben auch was passieren“, sagte ich zu ihr. Jetzt fing Nicole an zu weinen, sie beschwor unsere langjährige Freundschaft und bat mich dann um etwas, um ihren Kopf zu retten.
Gestern haben sich nun die Zeitungen auf diese Sache gestürzt, und irgendwie haben sie auch Recht. Nicoles Arbeitsamt ist dabei das einzige, das sich aus den Schlagzeilen raushalten konnte. Das liegt daran, dass ihr gesamter Freundeskreis seit einer Woche in seinen Kellern Ungelernte beschäftigt, die aus Nicoles eigener Tasche bezahlt werden; wichtig ist nur, dass ihre ehemaligen Arbeitslosen offiziell bei uns angestellt sind. Meine Arbeitslosen knüpfen zum Beispiel Teppiche. Vielleicht können sie sich damit ja selbstständig machen, wenn der Skandal vorüber ist und Nicole die Zahlungen wieder einstellt. DANIELA BÖHLE