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Archiv-Artikel

Stochern in den Lücken des Berichts

Das Waffendossier des Irak an die UNO wird von Washington und London zu einem Arsenal von Beschuldigungen umgerüstet

Von AZU

GENF taz ■ Seit Monaten behaupten die USA und Großbritannien, Irak bemühe sich seit Abzug der UNO-Inspektionskommission Unscom Mitte Dezember 1998 unter Verstoß gegen die einschlägigen UNO-Resolutionen um neue atomare, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen.

Entsprechende „Erkenntnisse“ ihrer Geheimdienste veröffentlichten die Regierungen in Washington und London im September. Beweise wurden allerdings bislang nicht vorgelegt. Dasselbe gilt für den Vorwurf der „Lücken und Widersprüche“ im irakischen Waffenreport an die UNO, den Washington und London erstmals bereits zwei Tage nach Ankunft des Berichtes in New York öffentlich erhoben haben. Ein Teil der Kritik wird intern inzwischen auch von französischen UNO-Diplomaten formuliert. Die Vorwürfe beziehen sich im Wesentlichen auf zwei Bereiche:

Zum einen geht es um von Bagdad verschwiegene „aktive Programme“ zur Entwicklung neuer atomarer, chemischer und biologischer Waffen sowie von ballistischen Raketen. Als Indizien angeführt werden angebliche Erkenntnisse westlicher Geheimdienste über:

– teils gelungene Versuche, auf dem internationalen Markt Grundsubstanzen für B-und C-Waffen sowie A-waffenfähiges Spaltmaterial zu beschaffen.

– Bemühungen irakischer Waffentechniker zur Reichweitenverlängerung von Kurzstreckenraketen.

– der Import von Spezialaluminiumröhren für eine Urananreicherungsanlage.

In seinem Bericht erklärt Irak die Beschaffung chemischer und biologischer Grundsubstanzen mit ausschließlich zivilen Zwecken. Zum versuchten Einkauf von Spaltmaterial wird überhaupt nicht Stellung bezogen. Der Import der Röhren unter Verletzung der UNO-Wirtschaftssanktionen wird eingeräumt. Sie seien allerdings für ein konventionelles Waffenprogramm bestimmt.

Zum anderen betreffen die Vorwürfe fehlende Erklärungen für den Verbleib von Altbeständen biologischer und chemischer Waffen sowie von Grundsubstanzen aus der Zeit vor Abzug der Unscom-Inspektoren Ende 1998. Die Inspektoren hatten über 90 Prozent der Bestände an C- und B-Waffen, den sie seit Mai 1991 gefunden hatten, zerstört. Der Rest war registriert und an seinen Fundorten versiegelt worden. Laut dem Waffenreport Bagdads an die UNO befinden sich diese Altbestände immer noch versiegelt an den Fundorten.

Diese Angabe konnte von den Inspektoren der Unmovik bislang nicht vollständig überprüft werden. Darüber hinaus war die Unscom in den 90er-Jahren auf Regierungsdokumente über weitere Bestände an B- und C-Waffen sowie Grundsubstanzen gestoßen, die die Inspektoren jedoch damals nicht aufspüren konnten. Über diese Bestände finden sich in Bagdads Waffendossier überhaupt keine Angaben. Es gibt theoretisch zwei Möglichkeiten: sie existierten nie; sie existierten und Bagdad hält sie versteckt oder hat sie – wie in Washington zumindest inoffiziell vermutet wird – an andere Staaten oder an Terrororganisationen weitergegeben. AZU