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Archiv-Artikel

Am Ende kommt die Umschuldung

GELD Für vieles, was jetzt passiert, gibt es keine genauen Regeln. Sicher ist: Leiden wird die Bevölkerung

BERLIN taz | Mit Griechenland steckt ein souveränes Land in großen finanziellen Schwierigkeiten, das einen Teil seiner Souveränität an eine Staatengemeinschaft – die Euro-Länder – abgetreten hat. So etwas gab es noch nie – und daher gibt es auf viele aktuelle Fragen nur vorläufige Antworten.

Ist Griechenland zahlungsunfähig oder bankrott?

Bis Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit muss Athen rund 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Wenn die Regierung sich dazu nicht in der Lage sieht, weil sie ein Defizit im Staatshaushalt hat und die Euroländer ihr nicht mehr mit Krediten helfen, ist das Land offensichtlich zahlungsunfähig. Eine offizielle Definition dieses Zustandes, die für Griechenland jetzt anwendbar wäre, existiert jedoch nicht. Bankrott ist das Land keineswegs, da der Staat weiterhin über hohe Vermögen verfügt und Milliarden Euro Steuern einnimmt.

Wie lange kann die Europäische Zentralbank (EZB) Athen über Wasser halten?

Weil sich die griechischen BürgerInnen große Sorgen machen, haben sie Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben. Das bringt die Banken in die schwierige Lage, dass ihre Mittel knapp werden. Deswegen hilft ihnen nun die EZB, indem sie Notfallkredite von rund 90 Milliarden Euro gewährt. „Regularien, wie lange und in welcher Höhe die EZB das tun darf, gibt es nicht“, sagt Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI).

Überschreitet die EZB ihre Kompetenzen?

Griechenland ist Euro-Mitglied, und die griechische Nationalbank gehört dem System der Euro-Notenbank an – wie auch die Deutsche Bundesbank. Die EZB hat dabei die Aufgabe, Zahlungsmittel bereitzustellen und das Funktionieren des Geldverkehrs zu gewährleisten. Mit ihren Notfallkrediten für die griechischen Geschäftsbanken tut die EZB genau das. Deswegen überschreitet sie ihre Kompetenzen nicht. Dagegen werden Kritiker möglicherweise bald behaupten, die EZB finanziere eigentlich nicht die Geschäftsbanken, sondern verhindere auch den Staatsbankrott. Über solche Klagen werden künftig wohl wieder Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof entscheiden.

Was werden der IWF und die Euro-Staaten nun tun?

Ist die griechische Regierung offensichtlich zahlungsunfähig, müssen die Gläubiger ihre geliehenen Mittel über kurz oder lang zurückverlangen. Das sind unter anderem der IWF und der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) der Euro-Staaten. Diese werden es außerdem ablehnen, dem Schuldner neue Kredite zu gewähren. „Um die Situation aufzulösen, kommt es vermutlich zu einer Verhandlung über Umschuldung“, so HWWI-Ökonom Vöpel. Dabei könnte man sich darauf einigen, dem Mittelmeerland zwei Drittel seiner Altschulden zu erlassen. Deutschland würde das vielleicht 20 Milliarden Euro kosten, weil die Bundesregierung für einen Teil der Griechenland-Kredite unter anderem des ESM haftet. In Verbindung mit einem Sanierungsprogramm werden die Gläubiger danach auch wieder bereit sein, das Defizit im griechischen Staatshaushalt zu decken. Von der Umschuldung, die die griechische Regierung seit Langem fordert, abgesehen, wäre das die Einigung, die am vergangenen Wochenende gescheitert ist – erkauft mit der Verschärfung der sozialen Krise in Griechenland.

Was bedeutet das für die griechische Bevölkerung?

Solange der Staat seine Schulden nicht bedient und die Geschäftsbanken unter Euro-Mangel leiden, muss die Regierung den Abfluss von Werten ins Ausland bremsen. Wie lange Griechenlands Bevölkerung nur kleine Beträge von den Konten abheben darf, ist unklar. Ein Umschuldungsabkommen könnte auch dazu führen, dass etwa Bankguthaben über 100.000 Euro entsprechend dem Schuldenschnitt gekürzt werden.

Wann ist Athen gezwungen, die Drachme wieder einzuführen?

Wenn die Regierung wegen des Haushaltsdefizits über Wochen oder Monate die Staatsangestellten nicht bezahlen kann und die griechischen Geschäftsbanken zu wenige Euro-Mittel haben, steigt der Druck eine Parallelwährung einzuführen. Das könnte wieder die Drachme sein. Spätestens dann müsste das Land die Euro-Gemeinschaft wohl verlassen. HANNES KOCH