: 116 offene Fragen
FREIHANDEL Ja, nein, vielleicht: Der EU-Handelsausschuss berät über etliche Anträge zur heiß umkämpften TTIP-Resolution. Er fällt auch eine Vorentscheidung: Wann kommt die Resolution ins Parlament?
TTIP-KRITIKER ERNST-CHRISTOPH STOLPER
BERLIN taz | Das wird ein wichtiger Termin: Im Handelsausschuss des Europäischen Parlaments fällt am Montag die Vorentscheidung darüber, ob die Abgeordneten noch vor der Sommerpause über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP abstimmen. Am Nachmittag berät der Ausschuss über den weiteren Umgang mit TTIP. Die Abgeordneten befassen sich mit 116 Änderungsanträgen zur Resolution über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Ursprünglich sollte das Parlament am 10. Juni die Resolution behandeln, aber Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte den Punkt überraschend von der Tagesordnung genommen und an den Ausschuss zurückverwiesen.
EU und USA verhandeln seit 2013 über das Abkommen, durch das der größte Wirtschaftsraum der Welt geschaffen werden soll. Deutsche Konzerne versprechen sich davon neue Absatzmärkte in den Vereinigten Staaten, wirtschaftsfreundliche Politiker hoffen auf mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze. Verbraucher, Umweltaktivisten und Gewerkschaften dagegen fürchten insbesondere Verschlechterungen durch TTIP, etwa durch das vorgesehene Klagerecht für Investoren gegen Staaten oder die Konsultation von Unternehmen vor Gesetzesänderungen. Zahlreiche der 116 Änderungsanträge zur Resolution gehen auf diese Kritik zurück.
Der Handelsausschuss berät am Montag, ob diese Anträge aufrechterhalten, zusammengefasst oder kassiert werden. Vertagt der Ausschuss die Beratungen nicht, beschließen Anfang Juli Martin Schulz und die Vorsitzenden der Fraktionen, ob TTIP auf die Tagesordnung des Parlaments kommt.
Dafür entscheidend ist vor allem, ob es eine Einigung zur bislang geplanten Klagemöglichkeit für Unternehmen gibt. „Das Ja oder Nein zur Resolution hängt an diesem Thema“, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD) der taz. Mit Blick auf die nächste Verhandlungsrunde zwischen EU und USA am 13. Juli plädiert er für eine baldige Stellungnahme des Parlaments. „Es gibt eine deutliche Mehrheit für die Klarstellung, dass private Schiedsgerichte nicht in das Abkommen sollen“, sagte Lange. Unklar sei jedoch, ob es für die so geänderte Resolution eine Mehrheit gebe. Lange hofft auf Zustimmung zu seinem Vorschlag, nachdem die Gerichte für Investorenklagen – anders als ursprünglich vorgesehen – von Richtern besetzt werden, öffentlich tagen, eine Revisionsinstanz haben und in einen Handelsgerichtshof münden sollen. Sollte sich das EU-Parlament dafür aussprechen, müsste auch die Regelung zu privaten Schiedsgerichten im europäisch-kanadischen Handelsabkommen Ceta neu verhandelt werden, glaubt Lange.
TTIP-Kritiker halten diesen Vorschlag jedoch für eine Nebelkerze. „Damit ändert sich nichts Grundsätzliches“, sagte Ernst-Christoph Stolper, Sprecher der Europäischen Bürgerinitiative Stopp TTIP. Unternehmen würden nach wie vor ein Klagerecht gegen Staaten erhalten, mit dem sie Umwelt- oder Gesundheitsschutzmaßnahmen aushebeln können. ANJA KRÜGER