: „600 Kühe sind viel zu viel“
ERNÄHRUNG Nicht alle großen Bauernhöfe sind schlecht, sagt Grünen-Agrarexperte Ostendorff. Doch für Vieh und Anwohner sei es besser, die Zahl der Tiere zu begrenzen
INTERVIEW JOST MAURIN
taz: Herr Ostendorff, die Grünen wollen kleine und mittlere Bauernhöfe fördern. Sind kleine Betriebe automatisch besser als große?
Friedrich Ostendorff: Nein, klein ist nicht gleich gut und groß ist nicht immer schlecht. Es geht eher um die Frage bäuerliche Landwirtschaft versus Agrarindustrie. Ein bäuerlicher Betrieb hält nicht zu viele Tiere pro Fläche. Deshalb kann er das Futter noch überwiegend selbst erzeugen und den Mist auf den betriebseigenen Flächen verbringen, ohne zu überdüngen. Das wollen wir unterstützen.
Deshalb fordern Sie, die Anzahl der Tiere pro Hektar zu begrenzen. Aber warum wollen Sie auch die Tierzahl je Betrieb beschränken?
Bei der Schweinemast beispielsweise sind 5.000 Schweine wegen der Verbreitung von Krankheiten die absolute Obergrenze. An Standorten von Anlagen mit 40.000 oder 80.000 Schweinen ist das Verhältnis zu den Anwohnern sehr angespannt, weil das natürlich eine landschaftliche und auch geruchliche Beeinträchtigung ist. Dazu kommt der Verkehr durch die Gülletransporte. Diese Menge muss über Hunderte von Kilometern transportiert werden. Das bringt Konflikte in die Dörfer, darunter leidet die ganze Region. Aus Niedersachsen müssen jedes Jahr eine Million Lkws voll Gülle herausgefahren werden.
Geht es den Tieren in großen Betrieben schlechter?
Ein Beispiel: Je größer die Bestände, desto weniger sind die Kühe auf der Weide, weil die Wege zum Melkstand zu lang werden. Die Kuh ist aber ein Weidetier. Dem Vieh tut der unterschiedliche Untergrund gut. Weich und federnd auf der Weide und hart auf dem Weg dorthin. Das ist bei Stallhaltung nicht gut möglich. 600 Kühe sind deshalb viel zu viel.
Kann man Obergrenzen pro Betrieb nicht umgehen, indem ein Hof einfach in mehrere Firmen unterteilt wird?
Es ist schwer zu verhindern, dass sich Holdings mit vielen Standorten bilden. Aber es gibt Möglichkeiten. Obergrenzen würden es erschweren, so viele Tiere zu halten. Wir wollen auch eine absolute Grenze für alle Betriebe zusammen an einem Standort.
Verlangen Sie Grenzen auch für die Fläche von Ackerbaubetrieben?
Das brennendste Thema ist doch die Ballung der Tiere und das grobe Missverhältnis von Fläche und Förderung. Wir sind für die Kappung der Subventionen für große Betriebe bei 150.000 Euro, das heißt heute bei zirka 500 Hektar. Die Konzentration von Boden in teilweise riesigen Betrieben ist allerdings ein zunehmendes Problem. Diese Republik ist ja auch deshalb so erfolgreich, weil wir eine breite Eigentumsstreuung haben. Pacht und Kauf zusätzlicher Flächen sollten ab bestimmten Grenzen wieder genehmigungspflichtig sein.
Warum wollen Sie, dass kleine Betriebe mehr Direktzahlungen vom Staat bekommen – unabhängig davon, ob sie etwa ihre Kühe in der tierquälerischen Anbindehaltung haben, bei der die Tiere an einem Platz im Stall fixiert werden?
Es geht auch um landwirtschaftliche Sozial- und Strukturpolitik. Wir müssen denen helfen, die es am nötigsten brauchen. Ein Betrieb, der wegen seiner Größe Kostenvorteile hat, braucht keine Förderung.
Viele Bauernfamilien mit kleinen Betrieben haben nach Umfragen sehr niedrige Einkommen und kaum Urlaub. Müssen sich Bauern auf kleinen Höfen selbst ausbeuten?
Ich glaube das nicht. Jeder, der Urlaub machen will, der kann das auch. Wir hatten 35 Kühe, und wir haben das immer geschafft, weil es uns wichtig war. Außerdem: Wir haben in Deutschland ländliche Räume, die sich entleeren. Es ist wichtig, die Landwirtschaft in der Breite zu erhalten.
Wäre es nicht sinnvoller, die jährlich 41 Milliarden Euro Direktzahlungen, die pro Fläche verteilt werden, abzuschaffen und Hilfen nur für konkrete Leistungen der Landwirte etwa für die Umwelt zu vergeben?
Wir wollen aus den Direktzahlungen im Jahr 2020 raus. Bei der letzten Reform der EU-Subventionen, die Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, haben wir mehr Umweltauflagen für die Direktzahlungen gefordert. Aber nur, weil wir es damals nicht für durchsetzbar hielten, die Direktzahlungen abzuschaffen. Wir sollten mit dem Geld lieber Maßnahmen wie den Umbau der Tierhaltung finanzieren.