: Wer entscheidet über eine Auslieferung?
RECHTSHILFE Wenn die Auslieferung offensichtlich unzulässig ist, muss eine Haft unverzüglich beendet werden
FREIBURG taz | Ein Ausländer kann zur Sicherung eines Auslieferungsverfahrens festgenommen werden. Dies ist nicht nur möglich, wenn der Haftbefehl über Interpol beantragt wird (red notice), sondern auch, wenn sich der ersuchende Staat – hier Ägypten – direkt an Deutschland wendet.
Die Auslieferungshaft ist grundsätzlich zulässig, wenn Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Auslieferungsersuchen. Ein außereuropäischer Staat hat drei Monate Zeit, um das Ersuchen zu übersenden. Bis dahin ist die „vorläufige Auslieferungshaft“ möglich, wenn Ägypten ausdrücklich darum ersucht. Über den Auslieferungshaftbefehl entscheidet ein deutsches Oberlandesgericht, im Fall Mansour das Kammergericht Berlin.
Die Auslieferungshaft ist unzulässig, wenn die Auslieferung von vornherein unzulässig erscheint. Da Deutschland und Ägypten wohl kein Auslieferungsabkommen geschlossen haben, ist für die Prüfung das deutsche Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) maßgeblich.
Unzulässig ist eine Auslieferung demnach, wenn die Tat in Deutschland gar nicht strafbar ist oder wenn es sich um eine politische Tat handelte. Da Mansour wegen unpolitischer Taten in Kairo verurteilt worden ist, trifft beides im konkreten Fall nicht zu. Unzulässig ist die Auslieferung aber auch, wenn kein „hinreichender Tatverdacht“ vorliegt. Zu prüfen ist außerdem, ob in Ägypten unmenschliche Haftbedingungen oder ein unfairer Prozess drohen.
Im Jahr 2010 hat zum Beispiel das Oberlandesgericht Köln die Auslieferung eines Mannes nach Ägypten abgelehnt. Die Zellen in den dortigen Gefängnissen seien überbelegt, die hygienischen Verhältnisse seien problematisch und eine medizinische Versorgung fehle fast vollständig.
In offensichtlichen Fällen müsste das Kammergericht also schon die Auslieferungshaft ablehnen. In weniger offensichtlichen Fällen würde das Kammergericht prüfen, ob die Auslieferung zulässig ist. Wird die Zulässigkeit vom Gericht bejaht, trifft die Bundesregierung anschließend aber noch eine politische Entscheidung, ob sie wirklich ausliefern will.
Noch am Sonntagabend sollte nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Berliner Haftrichter des Amtsgerichts die formalen Voraussetzungen der Festnahme prüfen. Liegt ein Haftbefehl vor, ist tatsächlich die richtige Person festgenommen worden? Bei diesem Termin kann der Festgenommene, also Ahmad Mansour, auch Einwendungen gegen den Haftbefehl vorbringen. Über diese entscheidet dann aber nicht der Amtsrichter, vielmehr muss er über die Generalstaatsanwaltschaft das Berliner Kammergericht einschalten.
CHRISTIAN RATH