THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Das berühmte wie innovationsfreudige Performance-Kollektiv „Gob Squad“ goes Komische Oper. Und zwar mit einem Projekt, das sich ziemlich toll anhört. „My Square Lady“ ist es überschrieben – und natürlich soll man mit dem Titel erst einmal das Musical „My fair Lady“ des US-amerikanischen Komponisten Frederick Loewe assoziieren – jenes berühmte Musical aus den 1950er Jahren also, das den Mythos „Pygmalion“ verarbeitet hat: die Geschichte vom Künstler, der sich in eine von ihm selbst erschaffene Frauenstatue verliebt, die von der Liebesgöttin Venus dann schließlich in ein lebendiges weibliches Wesen verwandelt wird. Im Musical wurde aus dem Künstler Pygmalion der Philologie-Professor Higgins, der sich aus dem Slang sprechenden Proletariermädchen Eliza Doolittle eine akkurat artikulierende Upper-Class-Gattin formt. Bei „Gob Squad“ nun wird es der autonome humanoide Roboter Myon sein, der zum Opernstar (und auch zum Menschen?) geformt wird. Das Projekt ist eine Kooperation der Komischen Oper und des Forschungslabors Neurorobotik der Beuth Hochschule für Technik (ehemals TFH). Mit den Mitteln des Musiktheaters wird hier der Frage nachgegangen, was einen Menschen zum Menschen macht und wie sich ein Gegenstand (wie ein Roboter) zu einem solchen formen lässt. Und wie das überhaupt ist, mit diesen Gefühlen, die ja das Allermenschlichste am Menschen sind (Komische Oper: „My Square Lady“, 21. 6., 19 Uhr, 25. 6., 19.30 Uhr).

Forschungsprojekte eigener Art sind die Stücke von René Pollesch, der einmal pro Quartal die aufgelaufene Hirnproduktion ausdruckt und auf die Bühne bringt: diesmal mithilfe des großartigen Schauspielers Fabian Hinrichs. Der Titel könnte auch zu „Pygmalion“ passen. „Keiner findet sich schön“ heißt nämlich der neue Pollesch-Abend. „Liebesgöttin Venus, bitte übernehmen Sie!“, könnte man also rufen – denn die Schönheit entsteht ja oft im Auge des liebenden Betrachters. Doch bei Pollesch liegt das Problem ganz woanders: nämlich in der Frage, wogegen man im Kapitalismus überhaupt noch kämpfen kann, ohne damit den Kapitalismus zu unterstützen? Den Kapitalismus, der sich jede Kritik sofort einverleibt und zur Selbstoptimierung nutzt. Weshalb man ihn niemals loswerden wird. (Volksbühne: „Keiner findet sich schön“, 24. 6. & 26. 6., jeweils 19.30 Uhr).

Vom 20.–26. Juni findet außerdem in der Schaubude zum 6. Mal das Internationale Festival des jungen Puppen-, Figuren- und Objekttheaters „Versuchung“ statt: mit Produktionen aus Österreich, Frankreich, Deutschland, Israel und Norwegen. (Schaubude: 24.–26. 6., www.schaubude-berlin.de).