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Archiv-Artikel

POLITIK

sichtet die sozialen Bewegungen in der Stadt

JÖRG SUNDERMEIER

Der wildbärtige Pierre Vogel ist der bekannteste und wahrscheinlich auch der einflussreichste deutsche Salafist. Ihm und der Millatu-Ibrahim-Gruppe, die 2012 verboten wurde, widmet am Freitag die Bunte Kuh (Bernkasteler Straße 78, 20 Uhr) eine ausführliche Infoveranstaltung. Attila Steinberger wird in die Theorien und Identitätskonzepte des Obersalafisten und der Millatu-Ibrahim-Gruppe einführen und anschließend noch zur Diskussion auffordern. Das ist ziemlich vernünftig, denn dem Salafismus gegenüber verhält sich ein Großteil der hiesigen Linken ja auffällig zurückhaltend, aus Angst, für rassistisch zu gelten. Aber Schlechtes sollte immer schlecht genannt werden.

Am Samstag hinwieder wird in der Regenbogenfabrik (Lausitzer Straße 22, 18 Uhr) die Ausstellung „Freiräume – Kreuzberg in den 80ern und heute“ eröffnet, die in rund 150 Aufnahmen aus dem legendären Umbruch-Bildarchiv die Kämpfe um Freiräume im früheren und jetzigen Kreuzberg dokumentieren wird. Man sollte aber dabei immer bedenken, dass das „Freie Kreuzberg“ der 80er Jahre auch deshalb entstand, weil da so eine Mauer war. Dennoch kann man ja vielleicht von den Altaktivist_innen, Hausbesetzer_innen und Räumungsverweiger_innen von damals noch das ein oder andere lernen.

Am Dienstag wird in der Linienstraße 206 (18 Uhr) ein „Bunter Abend“ stattfinden, bei dem auf die Situation der aufständischen indigenen Gemeinden in Chiapas hingewiesen wird. Dieser Landstrich in Mexiko war ja bei den Linken in Europa einmal vergleichsweise weltberühmt und das EZLN-T-Shirt gehörte gewissermaßen zur Uniform. Heute aber sind die dortigen Zapatistas und ihr 1994 begonnener „Aufstand der Würde“ auch hierzulande fast vergessen, was nicht nur, aber sicher auch mit dem Rückzug des Subcomandante Marcos zusammenhängt, der als eine Art Kunstfigur den Protest der Zapatistas vertrat und somit gleichsam fernsehfähig machte. Aber braucht linke Solidarität wirklich solche Führerfiguren? So oder so ist es ein dankbares Unterfangen, auf die heutige Situation vor Ort hinzuweisen.

Am Mittwoch schließlich wird bei der A-Laden Experience in der Baiz (Schönhauser Allee 26a, 19 Uhr) über „Gewaltfetisch und Utopie“ debattiert, was ja ein wirklich sehr interessantes Thema ist. Es ist ja tatsächlich fraglich, ob man einfach per se und um sich als gute_r Linke_r auszuweisen, von Gewalt schwärmen muss und inwieweit diese nur noch als Selbstzweck - und zum Beleg für die Virilität alter und junger Kämpen dient. Die Leitfrage „Ist Gewalt noch zeitgemäß“ ist allerdings selten dämlich.