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Archiv-Artikel

3.000 ANSCHLÄGE AUF DIE KOALITION (8): DANIEL SCHNIER SAGT, WIE NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG AUSSEHEN MUSS Die suggerierte Bürgerbeteiligung

Daniel Schnier

■ ist studierter Architekt. 2006 initiierte er das Autonome Architektur Atelier (AAA), das er mit Oliver Hasemann führt. Seit 2009 setzt er die „ZwischenZeitZentrale“ (ZZZ) mit um.

Die Stadt ist schon gebaut. Dennoch: „Do-it-yourself“, „Make City“, „die moderne Mitmach-Stadt“, „nachhaltige Stadtentwicklung“ oder auch die „prozessorientierte Bürgerbeteiligung“ sind in der heutigen Zeit Begriffe in der Stadtentwicklung, die BürgerInnen ein neues Gefühl von selbstgemachter Veränderung suggerieren.

„Macht mit!“ schreit es in viele Diskussionsrunden und aufwändige, so genannte Bürgerbeteiligungsprozesse hinein. Die gelebte Demokratie droht in langatmigen Vorstellungs- und Diskussionsrunden zu ersticken. Sie zieht nur ein gewisses Klientel an, das die Muße hat, das auch den Mut hat, zu Wort zu kommen, dem Ganzen inhaltlich folgen kann, aber meist am Ende seine eigenen Interessen verfolgt. Die Ergebnisse dieser Veranstaltungen bleiben abstrakt und ihre mögliche Umsetzung durchläuft den langen Weg der Paragrafen und Genehmigungen.

Es gibt eine wachsende Zahl von Initiativen und Bewegungen, die sich aktiv in der Stadtentwicklung beteiligen. Der Lucie-Flechtmann-Platz, ein innerstädtischer Platz, der knapp zehn Jahre lang dahin siechte, erlebt seit zwei Jahren in gemeinschaftlicher Entwicklung ein völlig neues Gefühl der partizipativen Belebung in der umliegenden Nachbarschaft. BürgerInnen haben sich zusammengeschlossen, vermitteln Wissen und haben einen Verein gegründet. Kulturpflanzen e. V. betreibt seither das erste selbstverwaltete Urban Gardening Projekt in Bremen.

Anstatt sich zu beklagen und von „der Stadt“ eine Verbesserung zu verlangen, wurde hier in Eigenregie entwickelt und dann in Kooperation mit Stadt und Politik ein gangbarer Weg gefunden. Die Beteiligung an der Stadtentwicklung wird so zu einem aktiv gelebten Modell, für das es in Bremen weitere Räume gibt. Identifikation, möglicherweise auch Eigenverantwortung können im Stadtraum wachsen.

Bezahlbarer Wohnraum in innenstadtnahen Lagen für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen in Bremen – Fehlanzeige. Das Geld fließt seit Jahren in Immobilien. Dadurch steigen Werte, aber auch die Mietkosten. Eine Idee wäre es, den bundesweit jämmerlich zu Grabe getragenen sozialen Wohnungsbau wieder massiv aufleben zu lassen. Damit könnte die massive Verdrängung unterschiedlicher Milieus gestoppt werden und so der Homogenisierung ganzer spekulativer Stadtteile Einhalt gewähren.

Verhandlungssachen

Die Nachwahlrangeleien haben die Programme verflüssigt: Es tauchen Pläne auf, Ideen werden konkretisiert und Vorhaben benannt, von denen vor dem 10. Mai noch gar nicht so recht die Rede war. So wollen die designierten Koalitionäre ihre Profile schärfen. Die Gastkommentar-Serie der taz hilft Grünen und SPD dabei: Hier bündeln AkteurInnen der Zivilgesellschaft ihre Forderungen in Texten von je 3.000 Anschlägen.

■ Heute: Daniel Schnier vom „Autonomen Architektur Atelier“ (AAA)

Gekoppelt mit stadtkulturellen nachbarschaftlichen Bau-Genossenschaften, die seitens der Stadt händeringend gesucht werden, könnten zukünftig transformierte, ehemals schlafende Häuser und Areale wieder mit Leben erfüllt werden.

Doch die Frage am Ende bleibt: Wie wollen wir miteinander leben?