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Archiv-Artikel

HARRY ROWOHLT ÜBER BÄRTE UND PREISE „Ein Grübchen wie das von Kirk Douglas“

„Wenn ich Besucher durch meinen Trophäenwald führe, wird eine Plastik gern übersehen“

Hast du jemals erwogen, dir den Bart abzurasieren, um zu sehen, was darunter ist?

Harry Rowohlt: Ich hab mir mal die Stirnhöhlen beziehungsweise die Nebenhöhlen fenstern lassen. Man kann auch Stirnnebenhöhlen sagen. Ich tendiere zu Stirnnebenhöhlen. Wenn schon, denn schon. Kurz vorher war in Hamburg ein Mann unter Vollnarkose gestorben, weil man ihn wegen des Bartes nicht beatmen konnte. Der ganze wertvolle Sauerstoff verlor sich im Bart. Also musste der Bart ab, weshalb ich mich seit Jahrzehnten zum ersten Mal rasiert habe. Bei dieser Gelegenheit stellte ich fest, dass das Kinngrübchen, das in meinem Wehrpass noch zu sehen ist, nicht mehr da war – ein Grübchen wie das von Kirk Douglas. Ich hatte auch kein Kinn mehr. Es war verkümmert, weil es jahrzehntelang niemand gesehen hatte. Das gibt es oft bei Organen, die nicht verwendet werden.

Du hast in deiner langen Karriere als Übersetzer einen Haufen Preise gewonnen.

[…] 1996 wurde ich zum „Ambassador of Irish Whiskey“ ernannt. Ich habe nur leider die Urkunde weggeschmissen, weil ich dachte, das wäre Reklame, und jetzt weiß ich nicht, wie ich an eine neue komme. Ich meine, wie formuliert man das? „Dear Sirs“, aber dann hakt es auch schon. Außerdem habe ich eine geschmackvolle Kleinplastik vom Hessischen Rundfunk für das Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres 1997 eingesackt, für meine „Pu der Bär“-CDs. Diese geschmackvolle Kleinplastik ist übrigens aus haargenau demselben Plexiglas hergestellt wie die Lostrommel bei der Ziehung der Fernsehlotterie. Ich stelle mir vor, die haben da im Hessischen Rundfunk eigens ein Büro eingerichtet, in dem ein großer Plexiglasblock steht, und immer, wenn sie wieder was brauchen, meißeln sie ein bisschen was ab. Das wird dann eingeschmolzen und je nachdem zur Lostrommel oder zur geschmackvollen Kleinplastik gegossen. Das Beste, was man über diese geschmackvolle Kleinplastik sagen kann: Sie ist tatsächlich aus Plexiglas und damit durchsichtig, und wenn ich Besucher durch meinen Trophäenwald führe, wird diese geschmackvolle Kleinplastik deshalb gern übersehen. Ich muss also gesondert auf sie hinweisen. Sie ist außerdem sehr klein, weil denen offenbar allmählich das Plexiglas ausgeht. Aber nicht auszudenken, wenn die geschmackvolle Kleinplastik größer wäre.

Auszüge aus dem Buch „In Schlucken-zwei-Spechte, Harry Rowohlt erzählt Ralf Sotscheck sein Leben von der Wiege bis zur Biege“, erschienen bei Edition Tiamat, Berlin 2009